Patrick Horvath

Kunst im Internet

Eine Analyse der Präsenz von Museen des deutschsprachigen Raumes im World Wide Web

Nesterenko: Lenin Horvath: Lenin shaped by skulls

Links: Alexej Konstantinovich Nesterenko: "Lenin".

Rechts: Werner Horvath: "Lenin shaped by skulls".

Zwei Beipiele aus dem "Virtual Museum of Political Art".


Einleitung

Immer mehr Museen und Kunstinstitutionen nutzen das neue Medium Internet zur Vermittlung von Informationen und Public Relations-Botschaften an ein über die ganze Welt verstreutes Publikum. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wieweit diese Bemühungen fortgeschritten und vor allem, inwieweit sie erfolgreich sind. Die Arbeit beschäftigt sich auch mit der Frage, ob Präsenz im Internet einem Museum oder einer Kunstinstitution nützt oder nicht. Aber auch sogenannte virtuelle Museen, die nur im Internet existieren und kein Gegenstück in der Realität finden, sollen behandelt werden. Bei dieser Gelegenheit soll auch ein vom Autor dieser Arbeit selbst ins Leben gerufenes Projekt vorgestellt werden, das "Virtual Museum of Political Art". Diese Arbeit stellt Bemühungen des deutschsprachigen Raumes, vor allem solche aus Österreich, in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Obwohl der Autor der vorliegenden Arbeit keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt - was bei der ungeheuren Menge und Vielfalt der Internet-Information auch gar nicht möglich ist - meint er doch, einen guten Überblick zu diesem Thema zu bieten. Am Ende der Arbeit findet man links zu Web-Sites, auf die Bezug genommen wurde.

Arten der Präsentation von Kunst im Internet

Zunächst gibt es in der Realität existierende Museen oder sonstige Kunstinstitutionen (das können z.B. Galerien, Auktionshäuser und unter Umständen auch Bildungseinrichtungen sein), die ihre Objekte auch in der “wirklichen” Welt ausstellen. Diese Institutionen gehen auch online und bieten im Internet eine eigene Homepage an. Diese Institutionen interessieren mich in dieser Arbeit vorrangig.

Virtuelle Museen hingegen sind in der "wirklichen Welt" nicht der Öffentlichkeit zugänglich. Sie existieren einzig in der künstlichen Realität der Neuen Medien. Sie stellen daher auch keine real existierenden Objekte aus, sondern Abbilder dieser Objekte. Natürlich existieren diese Objekte (meist) auch irgendwo in der Realität; nur sind diese Objekte eben nicht in eigenen Ausstellungshallen zu besichtigen.

Dann gibt es noch Suchverzeichnisse , bloße link-Sammlungen sozusagen, die versuchen, die Kunst im Internet systematisch zu erschließen.

Auch viele Künstler verfügen über eigene Homepages. Dieser Bereich an angebotener Information ist schier unermeßlich. In der vorliegenden Arbeit soll darauf nur ansatzweise eingegangen werden. Die Flut an Information ist in diesem Bereich u.a. auch darum so groß, weil viele Künstler - übrigens auch zahlreiche Museen - oft ohne ihr Wissen im Internet präsentiert werden, d.h. es gibt auch viele inoffizielle Homepages. In dieser Arbeit soll aber allgemein vor allem auf offizielle Pages eingegangen werden.

Dies sind - sehr grob gesprochen - die hauptsächlichen Möglichkeiten, wie Kunst im Internet präsentiert wird.

"Reale" Museen im Internet (deutschsprachiger Raum)

Allgemeine Bemerkungen

Vorausgeschickt sollen einige prinzipielle Informationen werden, die ich unter anderem aus einer Vorlesung von Prof. Hans Dieter Huber beziehe (Universität Heidelberg), die sich mit einer ähnlichen Themenstellung beschäftigt. Die meisten Museen Deutschland sind in der zweiten Jahreshälfte 1995 ans Netz gegangen. Gegenüber dem amerikanischen Markt beträgt der Rückstand ca. ein halbes Jahr. Huber meint, daß in Museen oft die Zuständigkeiten für Museums-Homepages nicht hinreichend geklärt sind. Er sieht auch zum amerikanischen Markt drei Hauptunterschiede:

Erstens besitzen fast alle großen Museen in den USA einen eigenen Server, in Mitteleuropa gehen Museen eher über externe Server ans Netz.

Zweitens sind die Zugriffszahlen im deutschsprachigen Raum geringer als in den USA. Dies liegt einerseits an der geringeren Verbreitung des Internet, andererseits an der - nach Huber - oft mangelhaften Gestaltung vieler Museums-Homepages.

Drittens ist die Einrichtung einer Homepage hierzulande eine exklusive Angelegenheit. Viele nützen die Möglichkeit nicht, die das Internet bietet.

Die gute Gestaltung einer Museums-Homepage lohnt allemal und wird durch hohe Zugriffszahlen belohnt. Im Laufe dieser Arbeit werden noch einige Beispiele genannt werden. Das Internet bietet sich aufgrund geringer Kosten und relativ großer Reichweite (bei guter Gestaltung) gerade für Museen als Medium geradezu an.

Besprechung wichtiger Museums-Homepages

Zunächst möchte ich auf die wichtigsten Museen in Österreich eingehen. Da gibt es z.B. die Homepage der Graphischen Sammlung Albertina . Man kann sie ohne weiteres als gelungene Homepage bezeichnen, die sinnvolle Information über Kunst gut präsentiert und vielfältige Möglichkeiten des Internet nutzt. So befinden sich auf der Homepage nicht nur Grundinformationen (z.B. Öffnungszeiten, Führungen etc.), sondern auch Informationen (Bilder und Informations-Text) über eine außerordentlich große Palette von Künstlern. Mit einer eigenen Suchmaschine kann man zu allen Künstlern der Sammlung oder ihren Epochen Informationen anfordern. Die Graphiken besitzen eine hohe Qualität, die Auflösung der Bilder ist gut, die Text-Information ist sehr informativ. Dazu gibt es auch Infos zur Gesellschaft der Freunde der Albertina und einen eigenen Museumsshop.

Das Wiener Künstlerhaus enttäuschte bis vor kurzem auf den ersten Blick mit einem sehr altmodischen Titelbild gerade auf der so wichtigen ersten Seite; jetzt sind dort nur graue Punkte zu sehen, die langsam dunkler werden.. Die erste Seite der Homepage ist aber die Visitenkarte eines Museums; sie könnte besser gestaltet sein. Auf den zweiten Blick allerdings entpuppt sich die besagte Homepage als ausgezeichnete Informationsquelle. Auch hier erschöpft sich die Darstellung nicht nur in den Grundinformationen, obwohl diese natürlich auch wichtig sind. Die Homepage des Künstlerhauses bietet darüber hinaus auch Informationen zu den gegenwärtigen Ausstellungen, die regelmäßig erneuert wird, aber auch Informationen zur Geschichte des Museums selbst. Sehr interessant ist hier auch das Projekt einer "Virtual Gallery", eine Art slide-show, in der nach der Reihe Bilder - hauptsächlich moderne Kunst und Computerkunst - abgerufen werden können. Alles in allem kann die Homepage des Künstlerhaus als informativ und auch hinsichtlich ihrer Gestaltung als gelungen bezeichnet werden.

Das Ars Electronica Center in Linz präsentiert sich modern, um nicht zu sagen futuristisch; und dies ist auch sein Konzept - es bezeichnet sich ja auch selbst als "museum of the future". Neben Basisinformation wie Öffnungszeiten etc. und allgemeinen Informationen zum Museum findet man eine sehr große Menge an Detailinformation zu einzelnen Ausstellungsobjekten oder Projekten, z.B. gibt es Virtual Reality-Installationen oder -bis vor kurzem - einen Telegarden. Letzteres war ein faszinierendes Projekt, das sich bei Internet-Usern aus aller Welt einer großen Beliebtheit erfreut. Via Internet konnte man einen Roboterarm steuern, mit dem man Blumen pflanzte, goß und pflegte. Man konnte von überall auf der Welt immer wieder nachsehen, wie es der selbstgezogenen Pflanze in Linz denn so ging. Viele tausend User aus aller Welt machten von dem Angebot Gebrauch. Das Ars Electronica Center gab und gibt also ein positives und erfolgreiches Beispiel dafür, wie man die eigene Homepage für Surfer aus aller Welt attraktiv macht.

Ebenfalls erwähnenswert ist das Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig . Sehr positiv ist gleich einmal anzumerken, daß dieses Museum in zwei Sprachen verfügbar ist: Deutsch und Englisch. Man findet eine on-line-Galerie, Daten für Führungen und Termine sowie Events aller Art. Das on-line-Museum besteht nicht nur aus Bildern, sondern auch aus Informationen über Werke und Künstler, etwa den Lebenslauf oder den philosophischen Hintergrund. Manche berühmte Bilder - etwa von Magritte oder Kokoschka sind sogar sehr genau erklärt. Es ist durchaus vorstellbar, von besagter Homepage wichtige Informationen zum Thema Kunst zu beziehen.

Die Abhandlung wäre nicht komplett, würde man nicht noch auf eine andere, für den österreichischen Kunstsektor besonders wichtige Homepage eingehen, nämlich auf jene der Österreichischen Bundesmuseen . Diese Homepage wird von den wichtigsten Bundesmuseen gemeinsam geführt. Beteiligt sind u.a. das Kunsthistorische Museum mit all seinen Teilen (z.B. Schatzkammer, Haupthaus, Palais Harrach etc.), das Naturhistorische Museum, das Museum für Völkerkunde, das für Volkskunde, die Graphische Sammlung Albertina, das Museum für angewandte Kunst, die Österreichische Nationalbibliothek etc.

Man kann sich vorstellen, daß sich diese wichtige Homepage hoher Zugriffszahlen erfreut; diese liegen mir auch von verschiedenen Zeitabschnitten vor. Man kann allgemein sagen, daß sich die Zugriffzahlen vom letzten Jahr (1997) bis jetzt (November 1998) sehr gesteigert haben, nämlich von ca. 65.000 auf uuml;ber 300.000 Hits pro zwei Monate. Diese Zugriffssteigerung ist nur erklärbar durch fundamentale Qualitätsverbesserungen der Homepage. Während mir noch Ausdrucke von 1997 vorliegen, die eine sehr dürftige Homepage mit etwas Grundinformation und nur einzelnen Bildern aus riesigen Sammlungen zeigen, präsentieren die Bundesmuseen heute wesentlich mehr Information. Diese Bemühungen wurden offensichtlich sogleich von den Usern honoriert. Zusammenfassend läßt sich also vor allem sagen, daß durch das Internet durch gute Gestaltung zahlreiche Menschen erreicht werden können. Aufgrund der großen Konkurrenz ist es aber nötig, neben Grundinformation auch zusätzliche Anreize für Besucher zu bieten. Bemühungen, dies zu erlangen, werden erfahrungsgemäß durch höhere Zugriffszahlen belohnt.

Nun soll noch auf die Situation in Deutschland eingegangen werden, wobei noch weniger als bei Besprechung Österreichs der Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden soll. Laut Prof.Huber, der oben bereits zitiert wurde, liegt das Deutsche Historische Museum Berlin hinsichtlich Zugriffszahlen an der Spitze (1997: 90.000 bis 120.000 Hits pro Monat; inzwischen vermutlich gestiegen). Es ist das erfolgreichste Museum Deutschlands im Internet. Die Homepage ist in drei Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch) verfügbar. Große Teile der Sammlungsbestände sind mit umfassenden Informationen abrufbar. Die aktuellen Austellungen werden breit besprochen, die Graphik ist im höchsten Maße ansprechend. Es gibt auch einen Museumsshop, in dem man Publikationen u.ä. bestellen kann. Das Deutsche Historische Museum ist bereits Maßstab für viele andere Kunstinstitutionen geworden, die im Internet publizieren.

Führend hinsichtlich der Zugriffszahlen ist ebenfalls die Kunst- und Ausstellungshalle Bonn. Ihre Homepage besitzt ein sehr aufwendiges Design: Gleich zu Beginn begegnet uns moderne Graphik-Schrift, was zwar einerseits sehr schön ist, andererseits natürlich die Ladezeiten verlängert. In der Kunst- und Ausstellungshalle Berlin sind on-line-Kameras installiert, das heißt, man kann über Internet einen Einblick in die Ausstellungshallen nehmen.

Das Hessische Landesmuseum Darmstadt bietet ebenfalls umfassende Einblicke in seine Sammlung. Das Spektrum der im Internet angebotenen Kunstwerke reicht von der Ur- und Frühgeschichte, über die Griechen- und Römerzeit bis zu einem Werkkomplex von Joseph Beuys. Das Museum bietet umfassende Informationen zu seiner eigenen Geschichte und der Geschichte seiner Werke. Man kann auch ein Feld namens Rundgang anklicken und so ausgewählte Werke besichtigten.

Sicherlich ließen sich noch zahlreiche Beispiele gelunger Homepages deutscher Museen anführen. Es muß allerdings gesagt werden, daß auch in Deutschland hinsichtlich gelungener Museums-Homepages nach wie vor ein großer Nachholbedarf besteht. Es gibt z.B. noch immer viele Museen, die über keine Homepage verfügen - und wenn, handelt es sich meist um eine äußerst kleine - die meistens nur Basisinformation und Kurzvorstellung beinhaltet. Als Beispiel sei das Liebig-Museum in Gießen genannt. Die Erfahrung und die Betrachtung der Museums-Homepages zeigt aber, daß zusätzliche Angebote zur Basisinformation die Zugriffszahlen wesentlich erhöhen. Durch attraktive Gestaltung einer Homepage hat man - mit relativ geringen Kosten - die Möglichkeit, eine große Menge Menschen zu erreichen. Dieser Umstand macht Internet zunehmend für PR in allen Bereichen, aber auch besonders für Kunstinstitutionen zunehmend attraktiv.

Virtuelle Museen

Wie bereits oben festgestellt, ist ein Virtuelles Museum ein Museum, das in der Realität nicht existiert bzw. nicht öffentlich zugänglich ist. Seine Objekte sind eigentlich elektronisch abgespeicherte Bilder von Objekten. Virtuelle Museen sind eine häufige und äußerst erfolgreiche Form der Kunstpräsentation im Internet.

Diese ungeheure Informationsflut kann im Rahmen dieser kurzen Abhandlung nicht vollständig verarbeitet werden. Erwähnen möchte ich ein besonders interessantes, nämlich "The Cuban Poster Project", das sich zum Ziel gesetzt hat, die Poster des nachrevolutionären Kuba zu dokumentieren. Die Poster stellen durchwegs eine Verherrlichung der politischen Struktur Kubas dar; die Vereinigten Staaten von Amerika kommen nicht sehr gut weg. So findet man Poster, die das Jahr 1968 und Che Guevara verherrlichen, gegen amerikanische Greuel in Vietnam auftreten oder Nixon als eine Art Dämon darstellen. Auch Künstler, die sich den Zielen der kubanischen Revolution verschrieben haben, werden mit Lebensläufen vorgestellt. Man mag davon halten, was man will, aber schon an diesem Bereich wird ersichtlich, daß das Internet eine ungeheure Vielfalt an Informationen beinhaltet und in seiner ganzen Vielfältigkeit faszinierend wirkt.

Auch der Autor der vorliegenden Arbeit betreibt via Internet ein Virtuelles Museum, das bei dieser Gelegenheit vorgestellt werden soll: Das Virtual Museum of Political Art. Zur Idee zu diesem Unternehmen führten mich mehrere Umstände, die zur selben Zeit auftraten.

Zunächst beschäftigte ich mich im Rahmen meines Geschichtsstudium sehr intensiv mit den Diktaturen des 20.Jahrhunderts. Um nicht mißverstanden zu werden, möchte ich betonen, daß diese Beschäftigung rein wissenschaftlichen Charakter besitzt. Im Gegensatz zu den Betreibern des oben genannten Cuban Poster Projects lehne ich jede Diktatur - sei sie jetzt kommunistisch, nationalsozialistisch oder austrofaschistisch - schlichtweg ab. Die Reflexion über und die Auseinandersetzung mit Geschichte im allgemeinen und mit den genannten Diktaturen im besonderen halte ich aber für sehr wichtig, denn wer die Vergangenheit nicht kennt, bleibt ewig ein Kind (meint Cicero); und er wird auch ihr Opfer. Noch heute sind Diktaturen ein großes Problem; weltweit betrachtet überwiegen sie die Zahl der Demokratien bei weitem. In Westeuropa und Amerika - auch in Österreich - haben sich autoritäre Tendenzen in den letzten Jahren massiv verstärkt. Wie will man ihnen entgegenkommen, wenn nicht durch fundierte Diskussion?

Ferner wuchs mit den Jahren mein Interesse an dem neuen Medium Internet; und es war mir ein persönliches Anliegen, herauszufinden, inwieweit sich das Internet eignet, Menschen auf aller Welt zu erreichen.

Außerdem sind besonders all jene Anregungen hervorzuheben, die ich von meiner Familie erhielt. Diese besitzt eine umfangreiche Sammlung von Gemälden der Epoche des sowjetischen Realismus, in der auch viele berühmte Künstler vertreten sind: Wassilij Iwanow etwa, der berühmte Lenin-Darsteller, genauso wie Isaac Izrailevich Brodsky, der eigentliche Erfinder des sowjetischen Realismus und Träger des Lenin-Ordens.

Zudem ist mein Vater, Werner Horvath - laut seiner Eigendefinition - hauptberuflicher Kunstmaler und Hobby-Radiologe, der sich in seinen Ölgemälden intensiv und kritisch mit allen Facetten der Zeitgeschichte und aktuellen Politik auseinandersetzt. In seinen ikonenhaften Bildern tauchen Josef Stalin und Wladimir I. Lenin, Boris Jelzin und Bill Clinton, John F.Kennedy und Slobodan Milosevic, Mao Tse-tung und Saddam Hussein, Erich Honecker und Jörg Haider auf wie in einem bunten Kaleidoskop des Welttheaters.

Er kommentiert auf diese Art unser Zeitalter, mit all seinen Schrecken, seinen Lügen, seinem Haß, seinen Kriegen, Verfolgungen, seiner Propaganda und prangert diese an, den Werten der Vernunft, Toleranz und Menschlichkeit verpflichtet. Viele seiner Bilder wurden bereits durch die Sensibilität des Künstlers prophetisch - etwa das Bild über den Jugoslawien-Krieg, das 1993, in der Beginn-Phase des Kriegs, noch vor dem Bekanntwerden der angerichteten Greueltaten, serbischen Genozid voraussagte, indem Milosevic und Karadzic vor den Leichen der Nazi-Konzentrationslager dargestellt wurden. Rückblickend auf die nun untergegangenen kommunistischen Regimes dokumentiert er zum Beispiel anhand eines Bildes, wie die sozialen und gutgemeinten Theorien von Karl Marx in eine grausame Diktatur verwandelt wurden: Dort wandelt sich der aus blühenden Blumen zusammengesetzte Kopf von Marx in ein aus Würmern gebildetes Gesicht Stalins; alles vor dem Hintergrund bunter, surrealer Traumwelten. An diesem Beispiel erkennt man auch, wie sehr er sich Guiseppe Arcimboldo zum Vorbild seiner Werke nahm, ohne jedoch sein Epigone zu sein. Zur Zeit des Tschetschenien-Krieges malte er ein weiteres beeindruckendes Bild ("Tschetschenien"), in der er den durch Machthunger eskalierten Konflikt um das kleine Land im Süden Rußlands kritisiert. Die durch Granaten zerfetzte Leiche eines Mannes sieht man da hinter Jelzins Porträt, dazu rauchende Trümmer, über denen nur mehr das anklagende Schweigen liegt.

Doch auch die positiven Seiten und die Erfolge unseres Jahrhunderts erkennt er wohl und bringt sie mit seiner Kunst zum Ausdruck. Als Bewunderer Vaclav Havels und als Zeitgenosse des Prager Frühlings (er war zu dieser Zeit 19 Jahre alt und gegen seinen Willen zum Bundesheer eingezogen) beobachtete er mit Genugtuung den Fall der kommunistischen Diktatur; in seinem Bild "Der Prager Frühling" drückt er dies voller Leidenschaft aus: Neben Vaclavs Havel aus bunten Frühlingsblumen zusammengesetzten Porträt und vor einem schießenden Panzer der sowjetischen Intervention in der damaligen Tschechoslowakei 1968 spießt der Bleistift des Schriftstellers Hammer und Sichel, die Symbole des Kommunismus auf und zerstört damit seine überzogenen Ansprüche und Legitimatonen; eine deutliche Anlehnung an das alte Sprichwort, das die Feder mächtiger sei als das Schwert. Auf die Frage, warum in seinem Bild denn ein Bleistift und keine Feder den Kommunismus aufspießt, antwortet er aber nur: "Eine Feder kann ich nicht." Bei Berücksichtigung seines ungemein feinen Malstils - jedes seiner Bilder ist mit feinem Haarpinsel innerhalb von ca. 200 Stunden auf die Leinwand in penibler Arbeit aufgetragen - werte ich dieses Statement aber als glatte Untertreibung und falsche Bescheidenheit, ebenso wie jener Satz: "Ich hab es ja leicht, die Bilder sind schon fertig in meiner Farbtube. Ich muß sie dann nur mehr auftragen".

Ein Bild über den Lewinsky-Skandal im Weißen Haus, in dem die Affären des Präsidenten noch weniger Ekel erregen als die penetrante Berichterstattung der Medien, die dem geilen Massenpublikum das Sexualleben eines demokratisch gewählten Volksvertreters auf dem silbernen Tablett servieren, ohne Respekt vor dem Amt und der Würde des Beschützers ihrer Freiheit, und über Prinzessin Diana, deren Unfall ein noch tragischeres Licht auf die Sensationsgier der Tagespresse geworfen hat, ist ebenso in Arbeit.

Meine Studien, meine Liebe zum Internet und mein familiärer Hintergrund legten mir also eine Beschäftigung mit dem Thema "Kunst und Politik" nahe: Inwiefern beeinflußt Politik die Kunst und umgekehrt? Das Virtual Museum of Political Art, das von mir zu diesem Thema gestaltet wurde, soll darüber eine breite Diskussion auslösen.

Ich möchte mit dem Museum ähnliches ausdrücken wie Werner Horvath mit seinen Bildern. Diese Thesen sind:

1.) Kunst steht nicht im leeren Raum. Sie ist von der Politik oft auf direktem Weg instrumentalisiert, oft auch indirekt durch politische Ereignisse bedingt, die sie manchmal verherrlich, manchmal kritisiert, manchmal verdammt. Kunst und Politik sind also eng miteinander verwandt und beeinflussen einander stark, und zwar auf unterschiedlichste Art und Weise. Unpolitische Kunst gibt es nicht. Selbst die Bilder des Biedermeier, die Frauen mit Hut, Männer im schwarzen Rock oder Blumensträuße in Vasen zeigen, sind eine logische Folge des Polizeistaates und Spitzelsystems von Metternich, in dem freie Meinungsäußerung nicht möglich war; und so konnten nur sogenannte harmlose Moitive dargestellt werden: die Bilder sind also politisch bedingt unpolitisch und in ihrem unpolitischen Auftreten eine Antwort auf die Politik. Die Hochkunst war immer Machtkunst und Staatskunst - wie die Pyramiden, die der Verherrlichung des Pharao dienten, die Infantinnen von Velasquez, deren privilegierte Stellung in der monarchischen Gesellschaft hervorgehoben wurde oder die Porträts der stalinistischen Ära. Kunst kann aber auch ein eindrucksvolles Plädoyer gegen Macht und Staat sein: Ich erinnere an Brueghels Darstellung von HerodesÌ Kindermord, der auf seinen Bild von habsburgischen Soldaten ausgeführt wurde - eine Kritik der habsburgischen Hausmachtspolitik. Oder man denke nur an Pablo Picassos eindrucksvolles Denkmal "Guernica", indem er die Greuel des von Faschisten und Kommunisten unterstützten Spanischen Bürgerkrieges vor den Augen der Welt anprangerte, der nur ein Vorspiel zur gewaltigen Schlächterei des 2.Weltkriegs werden sollte.

2.) Nachdenken über Geschichte schärft unseren Blick für die Probleme der Gegenwart, die letztlich ein Teil der Geschichte ist; und eine konsequente Fortführungen der Bewegungen der Vergangenheit. Durch historische Überlegungen erlangt der Mensch die Kritikfähigkeit, die ihn zum mündigen Wesen macht - und der Mensch ist nach Nietzsche ein historisches Wesen.

3.) Reflexion über Politik ist eine unbedingte Notwendigkeit, wenn man an den Problemen seiner Zeit anteil haben will. Denn wer unpolitisch denkt und handelt, hält die Schlechtigkeiten der Politik nicht auf, ganz im Gegenteil, er läßt ihr freien Lauf und den anderen die Herrschaft. Teilnahme am politischen Leben, sei es als Außenstehender durch öffentliche Kritik und selbstständiges Denken oder als Handelnder durch Taten und Entscheidungen ist keine Schande, sondern vielmehr die hohe Pflicht eines nach Freiheit strebenden Menschen. Eine der größten Gefahr unseres Zeitalters ist die passive Gleichgültigkeit gegenüber politischen Ereignissen, die sich unter anderem schon in dem immer höher werdenden Anteil Prozentanteils der Nicht-Wähler, der es so aussehen läßt, als sei Demokratie uninteressant - vielleicht, weil sie vielen zu mühsam ist?

Das Ziel einer breiten Diskussion und Wirksamkeit dieser und verwandter Fragen konnte erfüllt werden. Das zeigt schon allein die Statistik. Vom 1.10. bis zum 31.10. 1998 erfolgten 19.958 Hits auf meine Page. In anderen Monaten, wie im März 1998, wurde ein Rekord von 25.000 Hits erreicht. Allgemein liegt der Zugriff bei ungefähr 20.000 Hits pro Monat. Die Zugriffe stammen zum größten Teil aus den USA, dann aus Deutschland und Österreich. Aber auch einzelne Zugriffe aus Rußland und Japan sind immer wieder zu verzeichnen. Ich erhalte täglich e-mails aus aller Welt. Manche stammen von offenkundig Wahnsinnigen, etwa selbsterklärten Nachfolgern des Propheten Daniel aus Kalifornien oder Menschen, die mir über ihre absurden Theorien über die Auferstehung von Hitlers Schäferhund mithilfe der modernen Gentechnik berichten. Aber dies ist eher die Minderheit. Die weitaus größte Zahl der einlangenden mails setzt sich ernsthaft mit den im Museum präsentierten Themen auseinander; es fällt auf, daß vor allem jüngere und gebildete Schichten durch das Internet erreicht werden können. Und auch hier gilt: Eine attraktive Gestaltung der eigenen Homepage wird mit erstaunlich hohen Zugriffszahlen belohnt, die selbst meine kühnsten Erwartungen übertroffen haben.

Die Zukunft der Kunst im Internet

Vor einigen Jahren besuchte ich den Louvre. Ich stand sechs Stunden in einer unendlichen Menschenschlange, bis ich mir Tickets um viel Geld kaufen durfte. Die Mona Lisa, die sich hinter einer dicken Scheibe Panzerglas befand, das die Sicht auf das Werk sehr behinderte, war aus der Ferne ohnehin kaum zu erspähen, während ich in einer Masse von Japanern nahezu ertrank. Über die Mona Lisa halten sich außerdem hartnäckig Gerüchte, das Original sei gar nicht ausgestellt, sondern schlummere tief in den Eingeweiden der Erde, den Tresoren des Louvre, während die Touristen mit billigen Kopien abgespeist würden. 1996, zur Zeit der Tausend-Jahr-Feier Österreichs, quälte ich mich ins damals neu eingerichtete Museum in Neuhofen an der Ybbs, um die berühmte Ostarrichi-Urkunde zu sehen, in der Österreich das erste Mal als Gegend um Neuhofen erwähnt wurde. In der Vitrine fand ich eine Kopie. Erst vor kurzem erfuhr ich auch, daß die im Naturhistorischen Museum Wien ausgestellte Venus von Willendorf nur eine Kopie ist.

Die realen Museen werden aus verschiedenen Gründen für Besucher immer unattraktiver:

1.) Man bekommt dort ohnehin fast nur mehr Kopien zu Gesicht.

2.) Die Anreise ist beschwerlich.

3.) Die lästige Masse ist allgegenwärtig.

Aus diesen Gründen glaube ich, daß die Zukunft der Kunstbetrachtung dem Internet gehört. Bequem auf dem weichen Lehnstuhl lungernd kann man die größten Kunstwerke der Weltgeschichte aufmerksam am eigenen Computer-Bildschirm betrachten, ohne lange Anreise, ohne teure Tickets und staubige Säle. Zwar sieht man nur elektronisch aufbereitete Kopien - aber in den realen Museen bekommt man auch Kopien vorgesetzt, nur meistens heimlich, und unter vielen Unannehmlichkeiten. Das Internet bietet für Kunstinteressierte eine bessere Alternative zur Realität.

Links

Prof.Hubers Vorlesung über Museen im Internet (derzeit nicht verfügbar)
Graphische Sammlung Albertina (Wien)
Künstlerhaus (Wien)
Ars Electronica Center (Linz)
Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig (Wien)
Österreichische Bundesmuseen
Deutsches Historisches Museum Berlin
Kunst- und Ausstellungshalle Bonn
Hessisches Landesmuseum Darmstadt
Liebig-Museum Gießen (derzeit nicht am Netz)
The Cuban Poster Project
Virtual Museum of Political Art

Zahlreiche Links zu Museen aus dem Deutschen Historischen Museum in Berlin

Besuchen Sie auch die Homepage Patrick Horvath - Über Philosophie und Politik.

Ästhetik, Technik, Medium - über Walter Benjamin

Seminararbeit aus Kommunikationswissenschaftliche Methodenlehre, iG-7.2 "Internet"
Univ.-Ass. Dr. Manfred Bobrowsky
Universität Wien, WS 1997/98

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