Patrick Horvath

 

Spanien unter Francos Herrschaft

 

1939 - 1975

 

Patrick Horvath, Mat.-Nr. 9502353, Studienkennzahl 301/312, Seminararbeit zur Spanienexkursion bei Herrn Prof.Dr. Edelmayer, Sommersemester 1999.

Werner Horvath: "General Franco und der spanische Bürgerkrieg", Zeichnung im Stil des neuen bildenden Konstruktivismus

Spanien nach dem Bürgerkrieg

Franco hatte gesiegt.

Der nationalistisch orientierte Teil Spaniens jubelte ihm zu. Pius XII., der kurz zuvor zum Papst gewählt worden war, schickte dem Sieger bereits am Abend des 1.April 1939 folgendes Telegramm:

"Indem Wir unser Herz zu Gott erheben, sagen Wir zusammen mit Ihrer Exzellenz innigen Dank für den Sieg des katholischen Spanien, den Wir herbeisehnten. Wir wünschen uns, daß dieses uns so teure Land, nachdem der Friede erreicht ist, seinen alten Traditionen, die es so groß gemacht haben, neue Kraft verleihe. Wir erteilen Ihrer Exzellenz und dem gesamten edlen spanischen Volk Unseren apostolischen Segen."

Franco, der dem konservativen Katholizismus ideologisch sehr nahe stand, die Religion als wichtige Stütze der spanischen Gesellschaft betrachtete und durchwegs antikommunistisch eingestellt war, kam die ideologische Stütze der Kirche sehr gelegen. Er konnte den uralten Kreuzzug-Gedanken und die Rolle der "miles Christiani" für sich in Anspruch nehmen. Am 19.Mai 1939 wurde der Ausgang des wahrscheinlich gewaltigsten Gemetzels auf spanischem Boden daher auch mit einem feierlichen Te Deum in der Santa-Barbara-Kirche in Madrid besungen.

"Herr", sprach Franco, "nimm wohlwollend die Mühen dieses Volkes an, das immer Dir gehört hat und das, mit mir und in Deinem Namen, mit großem Heldenmut den Feind der Wahrheit in diesem Jahrhundert besiegt hat."

Nicht nur der Papst, auch Hitler und Mussolini konnten sich freuen. Sie waren es immerhin, die Franco nach seinem 1936 erfolgten Putsch großzügig unterstützt hatten. Das Deutsche Reich hatte nicht nur Flugzeuge und Waffen an Franco geliefert, sondern auch die berühmt-berüchtigte "Legion Condor" gebildet, die Seite an Seite mit den Nationalisten kämpfen sollte. Es handelte sich bei dieser Truppe um etwa 4.500 Mann, die in acht Fliegerstaffeln, sechs Flakbatterien und zwei Panzerkompanien aufgegliedert waren und im Laufe des Kriegs zu Francos Unterstützung nach Spanien verlegt wurden. Auch Freiwillige aus Italien und sogar reguläre Teile der italienischen Armee nahmen am Krieg teil. Ein Sieg Francos wurde von Hitler und Mussolini als einmalige Chance angesehen, ein befreudetes Regime an den strategisch wichtigen Eingang des Mittelmeers zu setzen und eine ihnen nicht genehme kommunistische Machtübernahme in Spanien zu vereiteln.

Wie die Deutschen und Italiener die Nationalisten unterstützten, so stand die Sowjetunion auf der Seite der kommunistisch orientierten Republikaner. Die Sowjets lieferten Waffen und Kriegsmaterial, ferner stellten sie eine Armee von etwa 40.000 kriegsbegeisterten Freiwilligen. Der spanische Bürgerkrieg erhielt durch die Intervention so vieler Großmächte einen durchwegs internationalen Charakter. Er gilt heute für viele Historiker als Vorspiel des 2.Weltkriegs, weil sich in ihm schon wesentliche Bündniskonstellationen zeigten (z.B. die deutsch.italienische "Achse"), die noch eine große Rolle spielen sollten.

Ohne deutsche, italienische, aber auch portugiesische Hilfe wäre der Sieg Francos äußerst fraglich gewesen. Franco verabschiedete sich auch daher nach dem Sieg von den verbündeten Truppen mit glanzvollen Festen, Paraden und Kundgebungen seiner innigsten Freundschaft und seines Dankes.

War der Sieg wirklich ein Grund zur Freude, zum hemmungslosen Jubeln?

Für die Bevölkerung beider Seiten wohl kaum. Der Bürgerkrieg hatte Spanien verwüstet, die Kriegsfolgen waren verheerend.

Wieviele Menschen im spanischen Bürgerkrieg umgekommen sind, weiß man nicht genau. Die Schätzungen schwanken stark. Im Zuge von Kampfhandlungen werden ungefähr zwischen 100.000 und 200.000 Menschen ihr Leben gelassen haben.

Doch dieser blutige Konflikt forderte zahlreiche Todesopfer abseits der Schlachtfelder. Es gab sowohl auf nationalistischer als auch auf republikanischer Seite Terror und Säuberungsaktionen. Die Säuberungen der Republikaner hatten oftmals antiklerikalen Charakter; zahllose Priester und Nonnen wurden von ihnen grausamst ermordet. Nach dem Sieg der Nationalisten setzten diese wiederum blutige Strafgerichte ein. Dazu kamen noch, daß die Argrarproduktion Spaniens kriegsbedingt um mehr als 20%, die Industrieproduktion um mehr als 30% gesunken war. Diese Zahlen wiegen umso schwerer, wenn man bedenkt, daß Spanien auch vor dem Krieg ein am europäischen Standard gemessen armes Land war. Die Folge des wirtschaftlichen Zusammenbruches war ein großes Leid in weiten Teilen der Bevölkerung und der Angriff eines Feindes, der wahrscheinlich mehr Menschen dahinraffte als die deutschen Bomben: der Hunger. Wenn man also alle Opfer zusammenzählt, gleich ob solche der Kampfhandlungen, der Säuberungen, des Hungers etc., kommt man wohl auf über 1 Mio. Getötete.

Der spanische Bürgerkrieg, ausgelöst durch einen Putsch, der ursprünglich von General Mola organisiert wurde, hatte den Grundstein gelegt für Francos Macht. Nach Molas Tod bei einem Flugzeugabsturz im Jahre 1937 hatte sich Franco, der bei diesem Aufstand von Anfang an eine wichtige Rolle spielte, zum Generalissimus und Anführer der Nationalisten aufgeschwungen. Der Aufstand hatte sich zum Ziel gesetzt, die Republik und insbesonders die starken kommunistischen und anarchistischen Tendenzen in ihr zu beseitigen, um stattdessen ein katholisch orientiertes, konservatives und nationalistisches Regime zu etablieren. Der Aufstand ging vom spanischen Herrschaftsgebiet in Marokko aus, in dem zahlreiche und gut ausgebildete Truppen stationiert waren; bald kontrollierten die Nationalisten den Norden, den Westen und die spanische Südspitze. Wenig Widerstand erlebten die Putschisten in diesen tendentiell eher konservativen und katholischen Gebieten. In anderen Gebieten, in denen die Arbeiterbewegung stark war, begegnete ihnen heftigster Widerstand. Die "linken" Republikaner hatten ihre Machtzentren im Süden, Osten und Zentrum Spaniens. Franco gelang es in jahrelangen Kämpfen mit wechselndem Erfolg diesen Widerstand zu brechen.

Nun, nach dem totalen Sieg hatte es Franco geschafft: Seiner Diktatur, die sich auch später hauptsächlich auf das Militär stützte, stand nichts mehr im Weg. Er wurde zum "Caudillo" Spaniens, der im Alleingang die wesentlichsten politischen Entscheidungen Spaniens bis zu seinem Tode 1975 treffen sollte. Aus dem ehemalige Frontsoldaten aus dem spanischen Marokko, der zuvor die militärische Karriereleiter in Windeseile erklommen hatte, war nun der mächtigste Mann Spaniens geworden.

 

Die Außenpolitik des Franco-Regimes

Während des Bürgerkriegs hatte das spanische Regime Hilfe von den Achsenmächten erhalten. Franco war Deutschland und Italien daher in vielfacher Weise verpflichtet. Außerdem stand er den beiden mitteleuropäischen Diktaturen mit seinem Nationalismus und seiner antikommunistischen Haltung auch ideologisch nahe.

Diese beiden Umstände schufen starke Bindungen zwischen der Achse und dem franquistischen Spanien. Man kann sagen, daß Francos Regime Deutschland und Italien während des ganzen 2.Weltkriegs wohlwollend gegenüberstand. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß Franco, teilweise sehr zum Ärger Hitlers, niemals in den Krieg eintrat.

Das Nicht-Eintreten Spaniens in den Krieg hatte zunächst eine Ursache: 1939 brach der 2.Weltkrieg aus, im selben Jahr, in dem der spanische Bürgerkrieg endete. Wie oben besprochen lag Spanien in Trümmern. Der spanische Staat konnte sich ein intensives Engagement einfach nicht leisten. Franco plante den Wiederaufbau des zerstörten Landes, der im wesentlichen auch gelang.

Die Armut Spaniens wurde von der britischen Regierung auch für politische Zwecke ausgenützt. Man kann sagen, daß Spanien aufgrund seiner katastrophalen wirtschaftlichen Situation und des Hungers der Bevölkerung in einer gewissen Abhängigkeit zu Großbritannien stand. Großbritannien beherrschte die Meere; ein Embargo hätte den Hunger in der spanischen Bevölkerung nur noch verstärkt. Die Briten nutzten die Not Spaniens dazu, das Land zu einer Neutralitätspolitik zu bewegen. 1940 bot die Londoner Regierung Franco an, ihm ihre in Lissabon gelagerten Weizenreserven zu verkaufen, wenn er dafür die Neutralität Spaniens garantierte. Franco akzeptierte. Das alles hinderte Franco allerdings nicht daran, den Status Spaniens am 12.Juni 1940 von "neutral" auf "nicht kriegführend" zu ändern, um seine Loyalität zur Achse zu bekunden.

Franco erlaubte den Deutschen aber trotzdem nicht den von ihnen gewollten Marsch durch spanisches Gebiet zur Eroberung Gibraltars. Hitler versuchte lange Zeit, Francos Zustimmung zum "Unternehmen Felix" zu erlangen. Der Plan sah vor, daß deutsche Truppen vom besiegten Frankreich aus durch Spanien marschieren und den schwer befestigten Eingang zum Mittelmeer erobern. Dies hätte die englische Position entscheidend geschwächt. Der Plan scheiterte an der Weigerung Francos. Am 15. Februar 1941 wurde dieser Plan daher nach einem Beschluß des Oberkommandos vertagt und auch niemals durchgeführt.

Der Feldzug Hitlers gegen die UdSSR führte allerdings dazu, daß Franco Hilfe sandte. Der Grund dafür war vor allem ein ideologischer: Der Hauptfeind der Franquisten war der Kommunismus. In Hitlers Kampf gegen die Sowjetunion sah Franco einen Kreuzzug gegen alles, was er zeitlebens ebenfalls bekämpfte. Ohne selbst in den Krieg einzutreten, erlaubte Franco 1941 die Entsendung der sogenannten "Blauen Division". Es handelte sich um eine Freiwilligenarmee, die etwa 18.000 Mann stark war und von Offizieren der regulären Armee kommandiert wurde, die sich ebenfalls freiwillig gemeldet hatten. Sie stellte das Pendant zur "Legion Condor" dar. Die "Blaue Division" wurde von General Grandes kommandiert.

1943, als es klar wurde, daß die Achsenmächte den Krieg verlieren würden, erklärte Spanien wieder seine Neutralität. Während des ganzen Krieges brach es die wirtschaftlichen Beziehungen mit den Alliierten nicht ab. Er warnte in demselben Jahr die Allierten vor der aufstrebenden Sowjetunion, die er nach dem Zusammenbruch Deutschlands als die größte Gefahr für Europa erkannte - was sich später, in Zeiten des Kalten Krieges, bestätigen sollte. Die internationale Welt hörte nicht auf ihn. Sie sah in seinen Vorstößen nur einen verzweifelten Versuch, das verbündete Dritte Reich zu retten.

Ab 1945 sah sich das franquistische Regime mit gewaltigen außenpolitischen Problemen konfrontiert. Es war international weitgehend isoliert. 1946 diskutierte man in der UNO eine Blockade Spaniens. Die meisten Staaten entschlossen sich zu einem diplomatischen Boykott des Franco-Regimes; die meisten Botschafter wurden aus Spanien abgezogen. Seltsamerweise hatten solche Aktionen den genau gegenteiligen Effekt, den sich die Initiatoren erwartet hatten: Je größer der internationale Druck wurde, umso mehr solidarisierte sich die Bevölkerung mit dem Diktator. Franco wurde nach innen nur noch stärker. Ferner wurde in der Bevölkerung die Überzeugung genährt, Spanien sei das Opfer einer internationalen Verschwörung - ein Schulterschluß mit dem Regime und Trotzreaktionen waren die Folge.

Mir erscheint diese Reaktion insofern bemerkenswert, weil sie mir als oft wiederkehrender politischer Grundzug erscheint. So erleben wir in der aktuellen Kosovo-Krise, daß sich die Position Milosevics durch die Bomben der NATO innerhalb Serbiens nur verstärkt hat. Auf ein ähnliches Reaktionsmuster läßt sich auch möglicherweise die Wahl Kurt Waldheims zum österreichischen Bundespräsidenten zurückführen; diese Wahl kann durchaus als Trotzreaktion der Österreicher gegenüber internationalen Warnungen gewertet werden, Waldheim unter keinen Umständen zu wählen.

Spanien versuchte trotz allem, die internationale Isolation zu durchbrechen, die ja auch wirtschaftliche Problem brachte. Franco versuchte, gute Beziehungen zu Südamerika aufzubauen, was ihm teilweise gelang, v.a. mit Peróns Argentinien. Ferner näherte sich das franquistische Regime an die arabischen Länder an. In dieser Politik lag ein gewisses Paradoxon. Die Geschichte Spaniens war geprägt von der Reconquista und damit dem Kreuzzug gegen die Moslems. Franco hatte auch jahrzehntelang als Frontsoldat in Marokko gekämpft. Trotzdem näherte sich Franco der arabischen Welt an, weil er einfach aus pragmatischen Gründen ein Chance sah, die Isolierung zu durchbrechen. Aus der proarabischen Politik unmittelbar nach dem 2.Weltkrieg heraus ist auch zu erklären, daß Spanien sich 1948 weigerte, den Staat Israel anzuerkennen.

Unmittelbar nach dem 2.Weltkrieg waren die Vereinigten Staaten wahrscheinlich das Land, das Franco am feindseligsten gegenüberstand. Dies sollte aber nicht lange anhalten. Denn die USA erkannten in Franco bald einen Verbündeten, der für den Westen einen Vorzug hatte: Er war strikt antikommunistisch. Die U.S.-Amerikaner konnten einen Sturz Francos nicht wünschen. Ein solcher Sturz hätte möglicherweise die von Franco bekämpften Kommunisten an die Macht gebracht und dem feindlichen Osten die Kontrolle über die Pforte des Mittelmeers ermöglicht. Franco präsentierte sich als "Wächter des Abendlandes" gegen die roten Horden. Diese Politik stand durchaus im Einklang mit Trumans Erklärung von der Eindämmung des Kommunismus vom Mai 1947. Der Grund, warum sich Franco als ehemaliger Verbündeter der Achsenmächte trotzdem noch bis zu seinem Tod 1975 an der Macht halten sollte, lag auch daran, daß die USA seinen antikommunistischer Kurs für strategisch wichtig ansahen. Angesichts dieses für sie so wichtigen Umstandes sahen sie über den antidemokratischen Charakter seines Regimes hinweg.

Spanien blieb trotzdem vorerst vom Marshall-Plan ausgeschlossen. 1958 sollte die USA Spanien aber eine erste, großzügige Wirtschaftshilfe gewähren. Der Senat ermächtigte Präsident Truman, einen Kredit von 62,5 Mio. Dollar an Spanien zu vergeben.

Entsprechend änderte sich auch die Politik der Vereinten Nationen. Die Generalversammlung hatte am 4.November 1950 Spanien durch eine Resolution verurteilt. Diese Resolution wurde bald widerrufen.

1953 schloß Franco das Konkordat mit dem Heiligen Stuhl ab. Franco machte an die Kirche weitgehende Zugeständnisse. Er machte aus Spanien einen Staat, der von Rechts wegen katholisch war. Er behielt sich allerdings das Recht der Bischofsernennung vor.

Einen Monat später, am 26.September 1953 schloß Franco in Madrid ein Abkommen mit den USA. Es handelte sich dabei um ein Verteidigungsbündnis und eine Zusicherung von Wirtschaftshilfe. Torrejón, Saragossa, Morón und Rota wurden als gemeinsame Basen eingerichtet, und zwar für eine verlängerbare Periode von zunächst zehn Jahren. Spanien erhielt insgesamt ca.1,5 Mrd. Dollar Wirtschafthilfe. Die Isolation Spaniens war damit endgültig durchbrochen. Am 15.Dezember 1955 wurde Spanien in die UNO aufgenommen.

Ab 1957 entschloß sich die von Franco neu geformte Regierung zu einer stärkeren Internationalisierung Spaniens. Verbindungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank wurden aufgebaut. Unter Fernando María Castiella, dem spanischen Außenminister von 1957 bis 1969 wurde der Fall Gibraltar, dessen Rückgabe Spanien noch immer verlangte, vor die UNO getragen. Dort sollte die Rückgabe im Zuge der Entkolonialisierungsdebatte diskutiert werden. Aufgrund der kategorischen Weigerung der britischen Regierung konnte aber kein Erfolg erzielt werden. 1962 entschied Spanien, daß es zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) beitreten wolle. Es wurde aber abgelehnt, weil die franquistische Gesellschaft nicht die von den europäischen Staaten Vorstellungen von einem freien und demokratischen Staat erfüllte. Trotzdem konnte Spanien in den 60ern seine Verbindungen zur EWG ausbauen. In den 60ern baute Spanien auch überraschend seine Handelsbeziehungen zur Sowjetunion aus, was sich positiv auf die Wirtschaftsleistung auswirkte.

Gegen Ende der franquistischen Diktatur zeigte sich ein gewisser Hang zu neoliberaler Wirtschaftspolitik. Es gab Ansätze der Modernisierung und Erneuerung, vor allem, was wirtschaftliche Beziehungen betraf.

Man darf aber nicht übersehen, daß es auch Zeichen der Erstarrung der franquistischen Politik gab, die nicht zuletzt auch durch das Alter Francos bedingt waren. Das System des Franquismus begann zu veraltern, genauso wie sein Schöpfer und Anführer. Gesellschaft und Ideologie des franquistischen Staates begannen immer mehr auseinander zu klaffen. Nach Francos Tod 1975 sollte Spanien die schon längst überfällige Demokratisierung erhalten. Francos Außenpolitik ist es nicht gelungen, Spanien in die Europäische Gemeinschaft zu intergrieren, das sollte späteren Generationen vorbehalten bleiben.

 

Ideologie, Wirtschaft, Gesellschaft des Franquismus

Die Ideologie des Franquismus kann man getrost als reaktionär bezeichnen. Auf das Weltbild Francos und seiner Anhänger gab es zudem einen unübersehbaren Einfluß der Katholischen Kirche. Diese Ideologie sprach vor allem Menschen der mittleren und gehobenen Schichten an. Für sie und die Franquisten verband sich mit der Verteidigung des Katholizismus auch die Verteidigung der traditionellen Moral, des Rechts auf Eigentum und der nationalen Einheit.

Es ging den Franquismus vor allem um die Bekämpfung der kommunistischen und anarchistischen Bewegungen, die vor allem in den unteren sozialen Schichten sehr ausgeprägt waren. Mit diesen beiden Strömungen war ein antiklerikales Weltbild verbunden, das der Franquismus ebenfalls bekämpfte.

Als Fundamente der Gesellschaft sah der Franquismus die Familie und die althergebrachte soziale Ordnung. Was die Rolle der Frau, die Heirat und das Schulwesen betraf, das unter Franco durchwegs der Kirche unterstellt wurde, galt eine konservative Weltsicht.

Die Familie als Mikrokosmos wurde als Keimzelle des Staates aufgefaßt. Die franquistische Sichtweise war patriarchalisch. Der Vater sollte die Familie autoritär führen, ähnlich wie Franco den Staat. Die Frau sollte für Heim und Herd erzogen werden. Entsprechend sah die Ausbildung der Mädchen aus, die sich in kirchlich dominierten Schulen stark auf die Hauswirtschaft konzentrierte. Die Familie sollte gesellschaftliche Stabilität und Reproduktion gewährleisten.

Man kann sich vorstellen, daß der Katholischen Kirche unter Francos Rolle eine bedeutende Rolle zuerkannt wurde. Der katholische Glaube galt als staatstragend. Franco war tief religiös, was er auch offen demonstrierte. Wie sehr der Papast im Gegenzug das franquistische Regime unterstützte, habe ich bereits am Anfang dieser Arbeit thematisiert. Über das Konkordat wurde ebenfalls bereits gesprochen.

Mit den Achsenmächten verband Franco seine zutiefst nationalistische und antikommunistische Haltung. Durch seinen strengen Katholizismus unterschied er sich allerdings wieder von Hitler und Mussolini, die beide für Religion wenig übrig hatten. Seine Ideologie war von militärischen Denkmustern geprägt.

Die Armee sah Franco als die Hüterin der spanischen Einheit. Er stand in einer langen Tradition von spanischen Generälen, die die Armee nicht nur im Sinne der heute vorherrschenden Lehre als ausführendes Organ der Politik sah, das aber selbst nicht Politik machen sollte. Vielmehr galt schon vor Franco für viele Militärs die Armee als heilige Institution, die über der Politik stünde. Franco teilte diese Sichtweise zweifellos. Bereits vor seiner Zeit hatte sich eine Tradition der häufigen militärischen Umstürze ("pronunciamientos") herausgebildet, die er mit seiner Beteiligung am Putsch 1936 fortsetzte. Auch seine spätere Macht stützte sich weitgehend auf die Armee.

Francos Führungsstil war autoriär und er hielt diesen Stil für richtig und effizient. Die Republik lehnte er Zeit seines Lebens ab.

Es gibt keine mir bekannten Hinweise dafür, daß Franco in besonderer Weise antisemitisch eingestellt war. In dieser Beziehung hat er Hitler glücklicherweise nicht kopiert.

Francos Wirtschaftspolitik unterlag im Laufe der 36 Jahre seiner Herrschaft einem gewissen Wandel. Seine ursprüngliche Wirtschaftspolitk war ideologisch und patriotisch motiviert. Man muß bedenken, daß Franco bei seiner Machtübernahme zwar ein hervorragender General war, von Politk aber kaum und Wirtschaft überhaupt keine Ahnung hatte. Eigentlich war er für die Herrschaft in einem Staat nicht ausreichend qualifiziert, was ja angeblich bei Politikern immer wieder vorkommen soll. Franco bemerkte selbst am 1.Januar 1939, seine Wirtschaftspolitik gründe sich auf dem Patriotismus. Er plante einerseits die Ankurbelung der öffentlichen Wirtschaft durch staatliche Mittel und zugleich die Erreichung der Autarkie. Möglichste wirtschaftliche Unabhängigkeit zum Ausland sollte erzielt, ein heimischer Ersatz für Importe sollte geschaffen und eine starke Währung sollte aufrechterhalten werden.

1938 wurden die Grundzüge dieses Systems festgelegt in der Charta der Arbeit ("Fuero del Trabajo"). Das dort im positiven Sinne als "totalitär" bezeichnete Wirtschaftssystem sollte sowohl eine Alternative zum liberalen Kapitalismus als auch zum Marximus darstellen.

Die soziale Frage war eine von Francos Hauptsorgen. Er hatte schon während seiner Soldatenzeit begriffen, daß die Lösung sozialer Probleme für die politische Stabilisierung seines Systems wie auch zur Schwächung des Kommunismus notwendig war. Dabei zeigt sich bei Franco eine sehr eigentümliche Mischung zwischen rechter und linker Ansicht: Er führte Arbeitslosenunterstützung ein, befreite die Arbeitslosen von Zahlungen für Mieten, Wasser und Strom, schuf eine Wohnungsbehörde, einen Fonds zur Bekämpfung der Tuberkulose und einiges mehr. Andererseits meinte er auf die Frage, was die sozialen Komponenten seines Programmes sei: "Vor allem absolute Unterdrückung des Klassenkampfes; Verschwinden der Streiks und der Aussperrungen;..." Streik sah er immer als Verbrechen an, das unterdrückt werden mußte. Es gab also soziale Ansätze, aber auch das Gegenteil davon.

Das "patriotische" Wirtschaftskonzept Francos hatte nur einen Haken: Es funktionierte nicht gut. Aus diesem Grund entschloß sich der Caudillo, vor allem ab den 60ern, sein System zu liberalisieren und den internationalen Handel weiter auszubauen. Das Wirtschaftssystem wird unter Franco nach und nach von einem ideologischen zu einem pragmatischen.

Auch das konservative Weltbild Francos geriet im Laufe der Jahrzehnte zunehmend in Konflikt mit der Wirklichkeit - freilich ohne, daß es sich darum änderte. Die in manchen Teilen fast schon mittelalterlich anmutende Ideologie paßte nicht mehr auf eine Gesellschaft, die zunehmend moderner wurde. Der Wandel war bald unübersehbar.

Die Gesellschaft wurde zunehmend urbaner. Der Anteil der Bevölkerung, der in Städten mit über 100.000 Einwohnern lebte, stieg 1975 auf fast 75%. In diesem Jahr besaßen zwischen 35% und 40% der Menschen ein Auto, in 85% der Haushalten war das Fernsehen installiert. Jährlich reisten ca. 5 Mio. Spanier als Touristen ins Ausland. An den Stränden sah man junge Leute mit Badehosen und Bikinis. Prozessionen und viele andere Rituale waren von gelebtem Glauben schon längst zum nationalen Touristikangebot geworden.

Im Todesjahr Francos zeigte sich für genaue Beobachter bereits die Überholtheit der franquistischen Dogmen. Neue Zeiten brauchen neue Systeme des Denkens; Ideologien und Religionen aller Art müssen sich ständig erneuern, um dem Test der Zeit standzuhalten. Der Franquismus hat diese Notwendigkeit nicht begriffen und landete so auf dem Kehrichthaufen der Geschichte.

 

Anhang: Picassos Kritik am Franquismus

Pablo Picasso: "Guernica"

Mit dem großen Wandgemälde "Guernica" schuf Pablo Picasso (1881-1973) wohl das bekannteste Kunstwerk des 20.Jahrhunderts. Es bezieht sich ganz konkret auf die historische Situation der damaligen Zeit und ist Ausdruck von Picassos starkem politischen Engagement.

Picasso stellte sich von Beginn des Bürgerkriegs an auf die Seite der rechtmäßigen republikanischen Regierung. Diese dankte es ihm auch durch die Ernennung zum Direktor des bedeutendsten Kunstmuseums, des Prado in Madrid.

Am 26.August 1937 zerstörten deutsche, italienische und spanische Luftstreitkräfte die baskische Stadt Guernica in einem dreieinhalb Stunden dauernden Angriff. Das Ziel war militärisch belanglos. Guernica wurde durch Zeitungsberichte bald ein Symbol für die Unmenschlichkeit des modernen Massenvernichtungskrieg.

Das Bild wirkt nicht zuletzt aufgrund seiner Maße (349,3 x 776,6 cm) monumental. Im Zentrum steht in unnatürlicher Pose ein verwundetes Pferd mit jäh nach links gewendetem Hals und schmerzhaft aufgerissenem Maul. Die Lampe über dem Pferd erinnert manche Kritiker aufgrund der Augenform an das Augen Gottes.

Am Boden liegt eine zerschellte Kriegerstatue mit einem zerbrochenen Schwert in der Hand. Links kniet vor einem Stier eine Mutter, die schreiend ihr totes Kind im Arm hält. Rechts reckt eine weitere Frau die Hände schreiend zum Himmel. Daneben tummeln sich noch andere stark abstrahierte Gestalten auf dem Bild.

Das Bild ist, wie gesagt, stark abstrakt. Trotzdem ist seine Aussage allgemein verständlich: Es geht um das Leid, die Verzweiflung über Krieg und Tod, es geht um das Elend, es geht um die Zerstörung. Alle Figuren auf dem Bild sind Opfer. Es geht Picasso um die Demaskierung des Krieges, insbesonders um die des spanischen Bürgerkrieges, den er nicht als heldenhaftes Unternehmen betrachtet. "Guernica" ist die Auseinandersetzung eines Künstlers mit der drohenden Vernichtung der menschlichen Kultur durch den Krieg.

Nicht nur eine allgemeine Kritik an den Schrecken des Krieges, sondern eine spezifische Kritik des franquistischen Herrschaftssystems ist der von Picasso angefertigte Zyklus "Traum und Lüge Francos".

Der aufständische General soll darin als grausam und menschenverachtend charaktisiert werden. Picasso stellte Franco als seltsames Fabelwesen mit drei Rüsseln dar. Picasso schildert in dieser Bildergeschichte die Überwindung Francos durch das spanische Volk.

In der ersten Szene tritt der Caudillo als ein pervertierter christlicher Ritter auf, eine Ähnlichkeit mit "Don Quijote" ist unverkennbar. Damit wird Francos Kreuzzugsgedanke kritisiert. Er wird von der Sonne verhöhnt und ersticht sein eigenes Pferd. Im zweiten Bild führt der General mit riesig erigiertem Phallus seiltänzerisch Kuststücke vor. Damit ist sein Machismo kritisiert und seine Prahlerei als glorreicher Streiter. Im dritten Bild versucht Franco mit einer Spitzhacke eine weibliche Büste - für Picasso Symbol der Vollendung und der Kunst - zu zerstören. Der Aufständische soll so als Bedroher der Kultur gezeigt werden. Im vierten Bild symbolisiert Franco als Frau verkleidet die Feigheit, um dann im fünften Bild von einem Stier, dem Sinnbild der Überwindung des Faschismus, angegriffen zu werden. Im sechsten Bild betet der Caudillo in einem Stacheldrahtverhau die Monstranz des Kapitals an. Im siebten Bild ist Franco von einem Haufen Ungeziefer umgeben, um im achten Bild auf Pegasus gegen die Sonne zu reiten, in der neunten Szene reitet er auf einem Schwein gegen die Sonne. Diese symbolisiert die Rettung Spaniens. In Bild zehn ist Pegasus von Franco zur Strecke gebracht. Darstellung elf und zwölf zeigen die Folgen von Francos grausamen Vorgehen: Eine tote Frau und ein totes Pferd mit gestürztem Reiter. Im dreizehnten Bild taucht wieder der Stier als Gegner Francos auf, um ihn im nächsten Bild zu vernichten. Die nächsten, später hinzugekommenen Szenen sind Vorstufen zu "Guernica" und Darstellungen der Greuel des Kriegs.

Ich halte Picassos Werk für sehr aufschlußreich, weil er darin mit den Mitteln der Kunst nicht nur den Krieg und die von ihm ausgehende Bedrohung, sondern auch die Ideologie und die Taten Francos kritisiert. Franco stellt sich in seinem Werk dar als Putschist, der einen Bürgerkrieg begonnen hat, der vielen Menschen das Leben kostete und unsagbares Leid über Spanien brachte. Er verleiht seiner Hoffnung Ausdruck, daß Franco überwunden wird. Auch an der konservativen und autoritären Ideologie Francos läßt er kein gutes Haar. Diese Sichtweise Francos ist zwar einseitig, birgt aber sicher auch einen wahren Kern.

Zusammenfassung

In der vorliegenden Arbeit werden grundlegende Aspekte von Francos Herrschaft in Spanien zwischen 1939 und 1945 beleuchtet. Nach einer kurzen Erläuterung des blutigen Bürgerkriegs, der den Weg für Francos Diktatur geebnet hat, wird die franquistische Außenpolitik thematisiert.

Dabei zeigt sich, daß Franco während des 2.Weltkriegs eine Neutralitätspolitk gegenüber der Achse betrieb, die er zwischen 1940 und 1943 insofern durchbrach, weil er sich in dieser Zeit anstatt als "neutral" als "nicht kriegsführend" bezeichnete und die Achsenmächte unterstützte, u.a. auch mit einem Freiwilligenheer, der "Blauen Division". Daß Franco niemals in den 2.Weltkrieg eingetreten ist, erklärt sich durch wirtschaftliche Probleme. Ab 1945 erfolgte die internationale Isolation des Diktators und ehemaligen Verbündeten des Achse. Doch diese Periode wurde bald durchbrochen, als der Kalte Krieg mit seinem Ost-West-Konflikt voll zum Tragen kam. Dann plötzlich wird der unerschütterlich antikommunistische Franco zum begehrten Bündnispartner der USA, was 1953 zur Unterzeichnung des Abkommens von Madrid führte. Die Integration Spaniens in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gelang Franco aber nicht.

In der Folge wird die Ideologie des Franquismus in den wesentlichsten Elementen dargestellt: Diese ist konservativ, ja reaktionär, katholisch orientiert, nationalistisch, autoritär und von militärischen Denkmustern geprägt. Es wird auch herausgearbeitet, daß diese überholte, an manchen Stellen mittelalterlich anmutende Ideologie in den späten Jahren des Regimes zunehmend in Konflikt mit der Wirklichkeit geriet. Das äußert sich insbesonders in der Bereichen der Wirtschafts- und Sozialpolitik.

Zuletzt wird noch in einem Anhang die Kritik Pablo Picassos an Franco gezeigt, wobei sowohl sein berühmtes Bild "Guernica", als auch sein Zyklus "Traum und Lüge Francos" ausführlich besprochen werden. Die Auseinandersetzung mit der Kunst ist für die kritische Wahrnehmung von politischen Systemen und historischen Ereignissen und Prozessen unabdingbar.

Literatur

Walter L. Bernecker: Krieg in Spanien 1936 - 1939. Darmstadt 1991.

Juan Pablo Fusi: Franco. Spanien unter der Diktatur 1936-1975. München 1992.

Jean Grugel & Tim Rees: Franco’s Spain. London, New York, Sydney, Auckland 1997.

Alum Kenwood (ed.): The Spanish Civil War. A Cultural and Historical Reader. Oxford 1993.

Claude Martin: Franco. Eine Biographie. Graz 1995.

Pablo Picasso: Traum und Lüge Francos. Frankfurt am Main 1968.

Carsten-Peter Warncke: Pablo Picasso 1881-1973. Köln 1995.

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