Patrick Horvath
Wirtschaftsgeschichte des ORF
Patrick Horvath
, Mat.-Nr.9502353, Kommunikationswissenschaftliches Seminar: Geschichte des ORF bei Prof.Dr. Duchkowitsch, Wintersemester 1997/98
Einleitung: Welt im Wohnzimmer
Als Ausgangspunkt für meine Arbeit über die Wirtschaftsgeschichte des ORF soll der Aufsatz von Wolfgang Pensold "Welt im Wohnzimmer. Eine qualitativ orientierte Projektkonzeption zu Geschichte und Theorie des Fernsehens" dienen.
Nach Pensold war der Aufsteig des Fernsehens in der Nachkriegszeit Ausdruck der Verwestlichung Österreichs. Das Fernsehen vermittelte den Österreichern die amerikanische Idee der Konsumgesellschaft. "Amerika geriet zu der Leitidee von Wiederaufbau und Neuanfang, kreiert und verbreitet nicht zuletzt durch Massenmedien". Pensold meint ferner, das Fernsehen machte das "Leben auf Kredit" in Österreich erst im großen Stil salonfähig. Denn kaum jemand konnte sich ein Fernsehgerät leisten, ohne auf einen Kredit zurückzugreifen. Das Fernsehen enwickelte sich schließlich zu einer Art Schaufenster, in der durch die Werbung Waren angepriesen wurden. Das Fernsehen wurde zu einer Kultur- und Bewußtseinsindustrie.
Pensold wirft in seinem Aufsatz dann noch eine große Mengen Fragen auf. Eigentlich ist sein Aufsatz eine Aneinanderreihung von Fragen. In vorliegender Arbeit sollen einige dieser Fragen unter Bezugnahme auf den ORF aufgegriffen und wenn möglich beantwortet werden.
Pensold wirft die Frage nach dem Spannungsfeld zwischen Gebühren- und Werbefinanzierung auf, in dem sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen befindet.
Er fragt weiters nach programmatischen Entwicklung des ORF - vor allem bezogen auf seine wirtschaftliche Situation. In diesem Zusammenhang spricht er auch über die zunehmende Kommerzialisierung des ORF, die gegenwärtigen medienpolitischen Entscheidungen und die zukünftigen Entwicklungen der Fernsehlandschaft in Österreich. Dies wirft notwendigerweise auch die Frage nach der Zukunft des ORF-Monopols auf und nach Strategien des ORF zur Selbstbehauptung gegen künftige Privatsender.
Zuletzt thematisiert Pensold die Entwicklung des Fernsehens zum Multimedium.
Diesen zentralen Fragen möchte ich mich unter Berücksichtigung einer historischen Perspektive annähern.
Der ORF im Spannungsfeld zwischen Gebühren- und Werbefinanzierung
Die Einnahmequellen des ORF
Man kann fünf Einnahmequellen des ORF unterscheiden (nach Brantner 1988, S.30):
Teilnehmerentgelte (= Rundfunkgebühr)
Nettoerlöse aus dem Werbefunk
Erträge aus Lizenzvergaben
Kostenvergütung durch den Bund und Subventionen
sonstige Erträge
Nach Brantner sind von diesen Einnahmequellen aber tatsächlich nur die ersten beiden (Gebühren und Werbung) entscheidend. Der Rest fällt kaum ins Gewicht. Sie betragen durchschnittlich rund fünf Prozent am Umsatz des ORF.
Der prozentueller Anteil von Gebühren und Werbung am Umsatz
Mir liegt über die Entwicklung dieses Verhältnisses zunächst zwei Tabellen vor, die über die Jahre 1967 bis 1981 Auskunft geben (Brantner 1988, S.31) - in Mio.Schilling und %:
Jahr Gebühren Werbung Summe
1967 682 372 1.054
1968 936 424 1.360
1969 992 509 1.501
1970 1.055 564 1.619
1971 1.144 630 1.774
1972 1.200 662 1.862
1973 1.250 694 1.944
1974 1.352 847 2.199
1975 1.666 922 2.588
1976 1.694 958 2.652
1977 1.868 1.190 3.058
1978 2.055 1.265 3.320
1979 2.162 1.405 3.567
1980 2.055 1.549 3.976
1981 56,9 1.595 4.043
Jahr Gebühren Werbung Summe
1967 62,4 34,0 96,4
1968 67,3 30,5 97,8
1969 63,3 32,5 95,8
1970 60,6 32,4 93,0
1971 58,6 32,3 90,9
1972 59,2 32,7 91,9
1973 60,2 33,4 93,6
1974 57,5 36,0 93,5
1975 60,6 33,5 94,1
1976 56,3 31,8 88,1
1977 57,1 36,3 93,4
1978 58,2 35,8 94,0
1979 56,5 36,7 93,2
1980 56,9 36,4 93,3
1981 56,9 37,1 94,0
Diese Tabellen sagen folgendes aus: Die Programmentgelte stellen in diesem Zeitraum mit über 1/2 bis 2/3 der Einnahmen den größten Anteil am Umsatz. Die Werbung stellt die zweitgrößte Einnahmequelle. Gemeinsam stellen sie über 90% des Anteils am Umsatz. Im Jahre 1976 sinkt dieser Gesamtanteil aber auf 88%. Dies ist untypisch und hängt damit zusammen, daß in diesem Jahr die Olympischen Winterspiele in Innsbruck stattfanden. Daher erhielt der ORF eine Kostenvergütung vom Staat von 105,5 Mio. Schilling. Ohne diese Vergütung betragen die Anteile am Umsatz: 58,4% (Gebühr) und 33,0% (Werbung) bzw. 91,4% (Summe).
Schon zwischen den 60er und 80er Jahren läßt sich also ein Trend der Senkung des Anteils der Gebührenfinanzierung zugunsten der Werbefinanzierung feststellen.
Im Zuge der schon von Pensold festgestellten zunehmenden Kommerzialisierung des ORF wurde seit 1981 dieser Trend noch weiter fortgeführt; und zwar insbesonders nach 1994. Heute und in den letzten Jahren stellen die Teilnehmerentgelte aber immer noch den größten Anteil an der Finanzierung. Laut Geschäftsbericht 1996 z.B. beträgt der Anteil 46,1%.
Aspekte zur programmatischen Entwicklung des ORF
(in Hinblick auf seine wirtschaftliche Situation)
Der ORF befindet sich in einer Zeit des wirtschaftlichen Umbruchs. Aus einer Analyse der Quoten des ORF kann man ersehen, daß ab den 90er Jahren zusehends stärker den Druck der ausländischen Fernsehanstalten zu spüren war.
Die Entwicklung der Quoten bis 1994
Vor 1980 lagen die Marktanteile des ORF in Österreich bei durchwegs bei fast 100%. Auch während der 80er ändert sich nicht viel; Quoten von über 95% sind die Regel. Doch die 90er Jahre sind gekennzeichnet von drastischen Marktanteilsverlusten. Bis 1994 (Amtantritt Zeiler - ihm wird es gelingen, die Quoten zu stabilisieren) sinkt der heimische Marktanteil auf ca.62%. Der Grund: Zunehmende Konkurrenz, vor allem durch die Zunahme an Kabel und Satellitenanschlüssen in Österreich. Ausgewählte Zahlen, entnommen der ORF-Homepage im Internet (http://www.orf.at/facts/ferna16.htm) sollen diese Verluste verdeutlichen.
Jahr Nationale Marktanteile in Prozent
1982 97
1985 96
1988 96
1990 93
1991* 77
1992 73
1993 66
1994 62
1995 63
1996 62
* Umstellung auf (zuverlässigeres) Teletest-Verfahren
Dieser durch die vorliegende Tabelle illustrierter Konkurrenzkampf und die führte zu nachhaltigen Reformen und Veränderungen von programmatischen Konzeptionen.
Bevorstehende Abschaffung des Monopols
Ebenfalls ein Problem für den ORF: Der Beitritt zur Europäischen Union wird über kurz oder lang die Abschaffung des ORF-Monopols und die Einführung - auch bundesweit sendender - privater TV-Anstalten nach sich ziehen (private Regionalsender gibt es ohnehin schon).
Daß es bis jetzt noch nicht dazu kam (trotz eines entsprechenden Urteils des Europäischen Gerichtshofes, nach dem ein Rundfunkmonopol als eine Verletzung der Menschenrechte gewertet wurde), ist nur durch eine bis jetzt geglückte Verzögerungstaktik wichtiger österreichischer Entscheidungsträger zu erklären.
Zeilers Antwort
Sehr aufschlußreich für das Verständnis der wirtschaftlichen Pläne und Konzepte, die der ORF für seine Zukunft hat, ist eine Stellungnahme von Gerhard Zeiler zu diesem Thema. Gerhard Zeiler, der 1994 das Amt des ORF-Generalintendanten übernahm, wurde zwar im heurigen Jahr abgelöst, sein Nachfolger ist Gerhard Weis, der bisher die Stellung eines Hörfunkintendanten innehatte.
In Zeilers Amtszeit die wichtigsten Weichen bereits gestellt und sein Nachfolger wird dem eingeschlagenen Weg nolens volens folgen müssen. Ich meine, daß das Zeilersche Konzept die wichtigste programmatische Änderung der gesamten Wirtschaftsgeschichte des ORF darstellt. Es läuft hinaus auf eine zunehmende marktwirtschaftliche Orientierung des Senders und sein Streben nach Quoten. Es ist eine konsequente Antwort auf die oben thematisierten Quotenverluste.
Das Programm hat folgende Schwerpunkte:
Sicherung der Marktführerschaft im Fernsehen
Dies kann nach Zeiler geschehen, indem
jüngere Zuseher zurückgewonnen werden, ohne ältere zu verlieren; ferner:
die ausländische Konkurrenz zurückgedrängt wird, um deren Werbeattraktivität zu schmälern und
Programme mit starkem Österreich- und Informationsbezug zu bieten, den die nichtösterreichischen Sender nicht herstellen können.
Zeilers Zwischenbericht ergab, daß die Bemühungen von Erfolg gekrönt waren; so blieb der Tagesmarktanteil trotz steigender Konkurrenz stabil, in Haushalten mit Empfangsmöglichkeit ausländischer Sender (Kabel bzw. Satelliten-Anschluß konnte der Martkanteil gesteigert werden. Ferner gab es starke Zugewinne bei Kindern und Jugendlichen.
Sicherung der Marktführerschaft im Radio
Dies soll nach Zeiler vor allem geschehen durch Nutzung von Ergebnissen der Marktforschung, Regionalisierung und Werbung. Daß Zeilers Programm auch erfolgreich war, zeigt sich an den guten Reichweiteergebnissen der ORF-Radiosender auch nach der Einführung privater Regionalsender ab 1998.
Sparen in allen Unternehmensbereichen
Dies wiederum bedeutet nach Zeiler:
Einfrieren der Programmkosten
eine deutliche Senkung der Personalkosten
Sparmaßnahmen bei Verwaltung und Technik
Zeiler meint dazu: "Ohne sofortige und kompromißlose Maßnahmen in fast allen Teilen des Unternehmens droht dem ORF ein ähnliches Schicksal wie anderen großen Unternehmen (Stichwort: Konsum-Pleite). Es gilt zu verhindern, daß aus einem Paradeunternehmen ein Sanierungsfall wird."
Umstrukturierungen
Zeiler ist der Ansicht, daß die Organisationsstruktur des ORF mittel- und lagfristig den Notwendigkeiten eines voll im Wettbewerb stehenden Unternehmens entsprechen muß. "Klare Zielsetzungen, schnelle Entscheidungsabläufe, eindeutige Verantwortlichkeiten und ein effizientes Kontrollsystem - so lauten die künftigen Anforderungen an die Organisation."
Erschließen neuer Geschäftsfelder
Zeiler trat während seiner Amtszeit stark für die Nutzung der sogenannten "neuen Medien" ein. Nicht nur Teletext, sondern besonders das Internet gehören dazu. So wurde während Zeilers Amtzeit dann auch eine ORF-Homepage eingeführt (http://www.orf.at) Für andere Online-Dienste soll insbesonders engere Kooperation mit der Post eingegangen werden.
Der öffentliche Auftrag neu definiert
Zeilers Reformkurs wurde von Anfang an heftig kritisiert. Er vertritt die Meinung, daß diese Kritik vielfach aus einem überkommenen Verständnis des öffentlich-rechtlichen Auftrag resultierte. Zeiler stellte eine neue Definition des ORF-Auftrages auf, in Anlehnung an die Ansicht der renommierten englischen Fernsehanstalt BBC.
Der Kern dieser Neudefinition ist im wesentlichen, daß Zeiler es ablehnt, daß aus dem Programmauftrag hervorgeht, die öffentlich-rechtlichen Sender hätten sich auf den höchsten Gipfel der Kultur, Bildung und Geschmacksverfeinerung zurückzuziehen. Zeiler nennt das die "Himalaya-Option", die er scharf ablehnt. Und wahrlich: Dies würde die Zukunft des ORF gefährden, seine Konkurrenzfähigkeit gegenüber den zukünftig entstehenden Privaten massiv schwächen; und zudem würde das Programm des ORF dann auch nur einer Minderheit des Publikums zugänglich sein, nicht mehr der Allgemeinheit. Ein Programm, das keiner sehen will, kann auch nicht im Sinne des Gesetzgebers sein. Vielmehr nennt Zeiler in Anlehnung an die Fernsehanstalt BBC vier Kriterien, die die Aufgabe eines modernen öffentlich-rechtlichen Senders seiner Meinung nach vorbildlich zum Ausdruck bringen:
Umfassende, tiefschürfende und unparteiische Nachrichten und Information in dem Ausmaß bereitstellen, wie es für einen fairen und informierten gesellschaftlichen Diskurs notwendig ist.
Die Entwicklung und Darstellung der nationalen Kultur und Unterhaltung fördern und beleben und diese einem möglichst breiten Publikum zugänglich machen.
Dienste unterschiedlichester Art anbieten, die im Bildungswesen genützt werden können.
Die Kommunikation zwischen dem eigenen Land und anderen gewährleistet sowie für Verständnis für Kultur und die Werte des eigenen Landes in der Welt werben.
Kritische Bewertung des Zeilerschen Reformkurses
Wie ist Zeilers Programm, das in seiner Amtszeit auch teilweise umgesetzt wurde, zu bewerten? Der Manager Zeiler, der früher auch für Privatsender tätig war, und nach seinem Verzicht auf Wiederkandidatur als Generalintendant des ORF auf seinen neuen Posten als Chef von RTL gewechselt hat, erkannte manche Probleme des ORF klar.
Er erkannte, daß der ORF nach Abschaffung des Monopols die Konkurrenz von Privaten zu fürchten hatte. Zwar gibt es heute in Österreich noch keine Strukturen, die dem ORF ernsthaft gefährlich werden können. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis solche Strukturen aufgebaut werden. Zeiler wollte vermeiden, daß es dem öffentlich-rechtlichen Sender in Österreich genauso geht wie einst der ARD und ZDF in Deutschland.
Auch sah er klar, daß die Quotenverluste (trotz Monopol!) bedenklich groß waren. Er wollte die Publikumsabwanderung zu anderen Sendern vermeiden.
Viele Intellektuelle kritisierten diesen Kurs. Eine privatwirtschaftliche Orientierung zieht immer Niveauverluste des Programmes nach sich. Dies ist zweifellos bedauerlich.
Aber was wäre die Alternative? Ein Programm senden, das nur für eine kleine Minderheit interessant ist? Ein Programm, das niemanden interessiert, ein Programm, von dem jeder wegschaltet?
Ich persönlich halte den von Zeiler eingeschlagenen Reformweg für richtig. Das Programm des ORF ist durch diesen Weg für eine größere Anzahl von Menschen attraktiver geworden. Das kann und wird die Zukunft des ORF zweifellos sichern.
Ich hielte es aber für bedauerlich, wenn der ORF wirklich alle seriösen Sendungen absetzen würde. Man darf bei allen prinzipiell begrüßensweten Reformen nämlich nie vergessen, daß der ORF einen gesetzlich definierten Programmauftrag besitzt. Und für die Einhaltung desselben bezahlen die Österreicher immerhin Fernsehgebühren. Und diese größte Einnahmequelle des ORF geringzuschätzen wäre ein Fehler.
Der ORF als Printmedium
Die Suche nach neuen Geschäftsfeldern brachte den ORF verstärkt auf die Idee, zusätzliche Einnahmen aus dem Printbereich zu schöpfen.
Dabei ist der ORF allerdings durch einen Vertrag, der in den 70er Jahren mit dem Verein Österreicher Zeitungsherausgeber geschlossen wurde, einigermaßen behindert. Der ORF darf nämlich, heißt es dort, keine Printprodukte herausbringen - mit Ausnahme der "ORF-Nachlese".
Daher ist der ORF gezwungen, dieses Problem zu umgehen: Er tut dies vor allem durch die Vergabe von Lizenzen. Als Beispiel für diese Praxis mag das UNIVERSUM-Magazin dienen. Die Sendung "Universum" ist die erfolgreichste Dokumentationssendung des ORF mit durchschnittlich ca. 1 Mio. Zuschauern. Die Idee lag nahe, diesen Markt an Interessierten zu erschließen, indem man ein entsprechendes Magazin gründete.
Die Lizenz zur Magazingründung wurde an das Niederösterreichische Pressehaus vergeben. In vier Monaten Vorbereitungszeit wurde ein entsprechendes Magazin aus dem Boden gestampft. Es soll Natur- und Wissenschaftsberichterstattung im Stil der Sendung Universum abdecken.
Der Bonus der großen Bekanntheit von Universum durch den ORF zeigte bald Wirkung. Heute erfreut sich das Magazin über eine Druckauflage von 50.000 Stück. 25.000 werden über Trafiken jedes Monat verkauft, zusätzlich gibt es bereits 6.000 Abos. Das Niederösterreichische Pressehaus bezahlt eine fixe Lizenzgebühr an den ORF.
Mit der wirtschaftlichen Erschließung des Printmedienmarktes folgt der ORF einem internationalen Trend. Auch z.B. die BBC ist ein großer Zeitschriftenverleger. So gibt der Sender etwa das Jugenmagazin "Top of the Pop" oder das Heimgärtnermagazin "Gardeners World Magazine" heraus.
Das Erschließen des Printmedienmarktes wird für den ORF in Zukunft ein wichtiges Geschäftsfeld und ein zusätzlich wirtschaftliches Standbein in immer heißer umkämpften Medienmarkt darstellen.
Der ORF als Multimedium
Der ORF ist auf der Suche nach neuen Geschäfts- und Betätigungsfeldern - einerseits, um fernab des bereits "klassischen" Mediums Fernsehens Einnahmequellen erschließen zu können, andererseits, weil der ORF damit einem internationalen Trend folgt.
Es ist seit langem zu beobachten, daß sich Verlage, Fernsehstationen etc. langsam aber sicher zu Multi-Media-Häusern entwickeln. Die Zukunft gehört wahrscheinlich dem gigantischen Konzern, der global und multimedial agiert und auf diese Weise Millionen Menschen mit Information und Unterhaltung versorgt.
Das bisherige Leitmedium war zweifellos das Fernsehen. Alle anderen Medien haben sich an ihm orientiert. Das Fernsehen gab Thema und Stil der gebrachten Medieninhalte vor. Selbst Printmedien kopierten in der Vergangenheit oft das Erscheinungsbild des Fernsehens (viele, bunte Bilder, weniger Text, insgesamt mehr Unterhaltung statt seriöser Information).
Als zukünftige Leitmedien werden wahrscheinlich mutimediale Formen auftreten. Durch technische Entwicklungen werden für die User die Grenzen zwischen den einzelnen Medien - Fernsehen, Internet, CD-ROM - zusehends verschwimmen.
Doch soweit ist es noch nicht. Noch nicht. Doch daß Neue Medien, wie etwa das Internet, bereits gewaltiges, überproportionales Wachstum aufweisen, ist schon längst Realität.
Auch der ORF nützt diesen Trend. Vor einigen Jahren wurde "ORF ON" begründet, das Online-Erscheinungsbild des ORF. Dieses Projekt erfreut sich ca. 5.000.000 Zugriffe pro Monat und ist damit die erfolgreichste Site in Österreich.
Das Internet-Projekt des ORF wirft noch keine Gewinne ab. Es wird vom ORF noch quasi "subventioniert", allerdings mit einer an Gewißheit grenzenden Hoffnung, daß der Besitz eines wichtigen Treffpunkts im Zukunftsmedium Internet einmal bares Geld bedeuten wird. Ob dies eines Tages hereinkommt, weil Links auf andere Homepages gegen Geldzahlungen installiert werden, Plätze für "banner" (die Werbeplakate des Internet) vermietet werden oder in Zukunft, bei entsprechenden noch ausstehenden internationalen Regelungen, jeder einzelne Zugriff einen Groschenbetrag für den Betreiber einer Site bringt, die auf die Telefonrechnung des Users aufgeschlagen werden, ist noch unbekannt.
Durch die Wandlung von Medienunternehmen in Multimediahäuser und die Wandlung der Kommunikation durch Neue Medien eröffnen sich einige faszinierende Perspektiven.
Zunächst einmal kann es durch das Internet weltweit zu einer stärkeren Vernetzung der Kommunikation kommen, aber auch zur stärkeren Interaktion. Durch das Internet ist die traditionelle Spaltung in Sender und Empfänger, die beim Fernsehen noch vorhanden war, aufgehoben. Zumindest potentiell kann jeder Empfänger, jeder Nutzer von Information auch Sender, Anbieter von Information werden.
Die angebotenen Medieninhalte werden so auch vielfältiger - und nicht zuletzt individueller. Kann man bei Medienangeboten im Internet noch von einem "Massenprogramm" sprechen? Einerseits sicherlich, denn das Internet wird von einer großen Anzahl von Menschen (einer Masse) genützt. Andererseits wird nicht dasselbe Programm gleichzeitig einer großen Masse von Menschen vorgesetzt, wie etwa beim Fernsehen. Vielmehr wählt ein jeder individuell aus den angebotenen Inhalten, was ihm gefällt. Die Massenkultur wird wieder zur Individualkultur.
Außerdem gibt das Internet dem Text wieder eine Chance. Das Fernsehen bietet Bilder, das geschriebene Wort, das jahrhundertelang Träger unserer Kultur war, verstummte zusehends. Neil Postman beklagte diese Wandlung lautstark. Im Internet dagegen dominiert der Text. Gedanken werden in Newsgroups ausgetauscht durch das geschriebene Wort. Der öffentliche Diskurs kann somit wieder sinnvoller und vernünftiger werden. Auch die Präsentation der Politik kann sich somit ändern. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden Politiker gewählt, die im Fernsehen ihr Charisma und ihren Sex-Appeal am besten zur Geltung brachten. Heute zeigt sich aber schon deutlich, welche Rolle das textbezogene Internet in der Politik spielen kann: Der Starr-Report über Clintons Liebesaffäre, der zuerst via Internet verfügbar war und ungeheures Aufsehen erregt, demonstrierte dies sehr eindrucksvoll.
Im virtuellen Raum entsteht ein gewaltiger Tummelplatz für wirtschaftliche Transaktionen. Schon jetzt werden Milliarden durch Verkäufe via Internet umgesetzt; und das Potential ist noch lange nicht erschöpft. Vom Buch bis zum Auto, von der Software bis zum Haustier kann man mittlerweile alles via Cyber-Shoppnig erstehen. Das Internet wandelt sich zum großen Warenhaus. der ORF wird davon wahrscheinlich profitieren.
Auch die Arbeitswelt wird sich wahrscheinlich durch das Internet verändern. Eine neue "Heimarbeit", wie im 19.Jahrhundert üblich, wird möglicherweise entstehen. Man muß, um Arbeit zu leisten, nicht mehr zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort anwesend sein; vielmehr kann man von daheim Büroarbeit erledigen, Zeitungsartikel schreiben oder Berechnungen anstellen - und diese dann rund um die Welt versenden. Der Arbeitsplatz ist überall. Raum und Zeit können durch die neuen Medien überwunden werden. Die Umgestaltung der Arbeitswelt durch das Internet beginnt sich schon zu vollziehen.
Der ORF wird zumindest in Österreich ein wichtiger Träger der genannten Entwicklungen sein.
Literatur und Quellen
BRANTNER
, Roland: Probleme der politischen Steuerung des Angebotes und der Finanzierung öffentlicher Unternehmen in Hinblick auf gemeinwirtschaftliche Ziele, dargestellt am Beispiel des Österreichischen Rundfunks. Diplomarbeit, Linz 1988.FUNK
, Bernd-Christian: Einführung in das österreichische Verfassungsrecht. Graz (8.Auflage) 1995.ORF
(Hg.): ORF-Almanach 95/96. Wien 1996.ORF
(Hg.): Geschäftsbericht 1996.Auch abrufbar im Internet unter http://www.orf.at/orf/service/allg/geschber.htmORF
(Hg.): Geschäftsbericht 1997. Auch abrufbar im Internet unter http://www.orf.at/orf/service/allg/98geschb.htmORF
(Hg.): Teletest - Projektionszahlen 1998. Auch abrufbar im Internet unter http://www.orf.at/facts/fernc12.htmPensold
, Wolfgang: Welt im Wohnzimmer. Eine qualitativ orientierte Projektkonzeption zu Geschichte und Theorie des Fernsehens. In: Medien & Zeit 4/95, S.3-18.Ferner Vorträge von Herrn Franz
Manola (Chef von ORF ON) und Herrn Oliver Lehmann (Chefredakteur des Universum-Magazins), gehalten am 13.12.98 bzw. am 9.1.99 am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien im Rahmen der Vorlesung "Druckmedien" von Herrn Dr.Peter Pelinka. Patrick Horvath: "Über Philosophie und Politik"
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© 1999 Patrick Horvath