Öffentlichkeitsarbeit und
Krieg – eine unheilige Allianz?
Dass
Krieg seit jeher von Propaganda, Lügen und Desinformation begleitet wird, ist
allgemein bekannt. Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit, dies hört man
oft. Neu sind aber die Strukturen der modernen, demokratisch verfassten
Massenkommunikationsgesellschaften mit denen sich Kriegsführende
auseinandersetzen müssen. Moderne Kriege werden nicht nur an einer, sondern an
mehreren Fronten entschieden. Die internationalen Medien sind zu einem
wesentlichen Schauplatz geworden, auf dem gekämpft wird – mit Public
Relations-Managern als dort kämpfenden Soldaten.
Demokratische Regierungen stehen unter großem Legitimierungsdruck, wenn sie Krieg führen, d.h. das Leben eigener Soldaten aufs Spiel setzen und andere Völker angreifen, wenn sie töten und töten lassen. Dieser Druck ist auch prinzipiell wünschenswert – gerade weitreichende Entscheidungen rund um die Kriegsführung, in denen neben Milliardenausgaben noch viel kostbarere Menschenleben auf dem Spiel stehen, sollen aus demokratiepolitischen Überlegungen vor einer kritischen Öffentlichkeit gerechtfertigt werden. Weil aber gerade hier so viele Interessen auf dem Spiel stehen, versuchen natürlich alle Akteure Einfluss auf die Berichterstattung zu bekommen – Öffentlichkeitsarbeit bzw. PR im Krieg hat sich entsprechend bereits zu einem boomenden Beschäftigungsfeld entwickelt.
Autoritäre
Regime haben im Medienkrieg einen gewissen "Startvorteil" gegenüber
Demokratien: Sie können auf die Medien durch obrigkeitliche Maßnahmen und
Zensur relativ leicht Einfluss nehmen. Jamie Shea, der NATO-Pressesprecher
während des Kosovokrieges 1999, beklagt diese Situation in seinen
"Reflexionen":1 Während der NATO zu Beginn des Krieges Bilder
von tatsächlich stattgefundenen serbischen Gräueltaten im Kosovo fehlten,
kontrollierte das serbische Regime den Boden und damit die Bilder. Journalisten
wurden in abgeschotteten Bussen z.B. zu einem von der NATO irrtümlich
beschossenen Traktor gebracht, den sie filmen durften; in den umliegenden
brennenden Dörfern wurden ihnen allerdings Aufnahmen untersagt. So wurden die
serbischen Gräuel vertuscht, die Fehler der NATO bei dem Versuch, eben diese
Gräuel und Menschenrechtsverletzungen in einer "humanitären
Intervention" zu verhindern, hingegen aufgebauscht. Zudem wurden zu
kritische Journalisten von Milosevic oft genug einfach ausgewiesen. Bei einer
NATO-Pressekonferenz in Brüssel darf jeder kritische Fragen stellen, ohne
ausgewiesen zu werden.
Auch
wenn dies alles stimmen mag, ist "Mitleid" mit dem
NATO-Pressesprecher aber sicher fehl am Platz. Auch in einem Land mit
Pressefreiheit gibt es durch die Anwendung moderner PR-Methoden genügend
Mittel, ein gewisses erwünschtes Bild des Krieges zu erschaffen um die
Öffentlichkeit im Sinne der jeweiligen Regierenden zu beeinflussen. Und so
plaudert Shea in eben seinen "Reflexionen" auch ganz offen aus dem
publizistischen Nähkästchen: "Eine Sache, die uns während der Kosovo-Krise
gut gelungen ist, war das Beanspruchen von Sendezeit. Mit unserem Vormittags-
und Nachmittags-Briefing im NATO-Hauptquartier und den täglichen Briefings im
Verteidigungsministerium in London zur Mittagszeit und in Washington am
Nachmittag schafften wir eine Situation, in der kein einziger regelmäßiger
Fernsehzuschauer dieser Welt an der Botschaft der NATO vorbeikam. Es ist von
entscheidender Bedeutung, die Medien dauerhaft zu beschäftigen und mit neuem
Material zur Berichterstattung zu versorgen. Denn auf diese Weise neigen sie
weniger dazu, selbst auf die Suche nach kritischen Stories zu gehen."2
Es geht also durchaus darum, Medien mit allerlei Informationen förmlich zu
überfluten, um ihre Kritikfähigkeit zu beeinträchtigen.
Dass
andere "alte Tricks" der Öffentlichkeitsarbeit auch gerade von Shea
zum "Verkauf" des Krieges benutzt wurden, ist ebenso auffällig. Das
PR-Lehrbuch von Cutlip, Center und Broom empfiehlt z.B. in der
Unternehmenskommunikation nach außen Worte semantisch "anzupassen",
an ihrer Semantik zu feilen. So soll ein Unternehmen aus Imagegründen nicht von
"Stellenkürzungen" sprechen, sondern lieber vom
"Downsizing" oder vom "Rightsizing" – es klingt besser und
lässt sich leichter vertreten.3 Dass Menschen in der Welt der
Realität ihre Existenzsicherung verlieren klingt so in der Welt der
öffentlichen Kommunikation weitaus harmloser. Auch die NATO sprach nicht von
durch ihre Bomben unschuldig getöteten Frauen und Kindern, sondern von
bedauerlichen und unvermeidlichen "Kollateralschäden". Und ihre
Sprecher insistierten öffentlich, dass die militärischen Aktionen im Kosovo
kein "Krieg" waren, sondern vielmehr eine Art Polizeiaktion.4
Das klingt zwar wirklich besser, Menschen sterben aber so oder so. Kann
Öffentlichkeitsarbeit, die in anderen Bereichen und auch allgemein so wichtige
gesellschaftliche Aufgaben erfüllt, nicht zynisch und menschenverachtend
werden, wenn man im Zusammenhang mit dem bedenklichen "Unternehmen"
Krieg auf sie zurückgreift?
Auch
im Krieg gegen den Irak 1991, noch von George Bush sen. ausgefochten, wurden
Medien auf eine für eine Demokratie unglaubliche Art und Weise
instrumentalisiert. Der Friedensforscher Kurt Luger vom Österreichischen
Studienzentrum für Friedens- und Konfliktforschung hat einige der Mechanismen
aufgearbeitet, mit deren Hilfe es dem Weißen Haus damals gelungen ist,
kritische Informationen fast vollständig zu unterdrücken.5 Teilweise
kam hier die moderne Technik zu Hilfe: Die in der Bombe eingebaute Kamera
explodiert ebenfalls, sobald die Bombe ihr Ziel trifft. Die Getöteten aber
sieht man nicht mehr, auch nicht die sogenannten "Kollateralschäden",
die angeblich aufgrund der Zielgenauigkeit moderner Waffensysteme ohnehin kaum
vorkommen würden – eine grobe Verharmlosung der noch immer bestehenden
Ungenauigkeit jedes militärischen Angriffes.
Ebenfalls
als sehr wirkungsvoll erwies sich aber auch das "Pooling". Während
die selbstständige Einreise oder Tätigkeit von Journalisten im Irak unterdrückt
wurde, lieferte man nur Informationen und Bilder an eine bestimmte Gruppe
ausgewählter Journalisten. Wenn diese nicht im Sinne des Weißen Hauses
berichteten, verloren sie ihren Platz im Pool und damit wertvolle Informationen
und Bilder, mit denen sie selbst und ihr Medium aber ihr Auskommen bestritten –
einer Gruppe schwedischer Journalisten ist es so ergangen. Viele Sender, auch
private wie CNN, kooperierten. Nicht nur aus einem oft falsch verstandenen
Patriotismus heraus, sondern auch aus Geschäftssinn: Krieg bringt Quoten und
damit oft enorme Gewinne. Im medialen Konkurrenzkampf kann es teuer sein, wenn
man von wertvollen Informationsquellen abgeschnitten wird. Und so wiederholte
die Presse eines freien Landes unreflektierte Slogans wie "god is on our
side" oder "the enemy is purely evil" anstatt über politische,
soziale und historische Hintergründe zu berichten, der Krieg wurde stark
personalisiert so als ginge es in ihm um einen persönlichen Streit zwischen
einem Herrn Bush und einem Herrn Hussein, und die eingesetzten Waffen wurden
als "smart bombs" und "sexy guns" sexualisiert. Es kann
aber - selbst wenn man ein gerechtes Anliegen einer Kriegspartei voraussetzen
würde - wohl in keinem Fall "sexy" sein, Menschen zu töten!
Es
ist als durchaus positive Entwicklung festzustellen, dass die Medien sehr viel
kritischer berichten, wenn es um den Irakkrieg 2003 und seine Folgen (z.B. die
Besatzung) geht. Dazu haben einige Faktoren beigetragen: War der Krieg 1991 vom
UN-Sicherheitsrat genehmigt, war seine Neuauflage eindeutig völkerrechtswidrig.
Dies ist vielen aufgefallen und wurde auch deutlich betont. Dazu ist CNN mit
dem arabischen Sender Al Jazeera sicherlich in der Region Naher Osten ein
Gegengewicht gewachsen. Letzterer Sender mag auch auf seine Art parteiisch sein
– aber eine gewisse "Opposition" zu einer dominanten Medienpolitik
schadet dennoch nicht. Viele Journalisten haben eben aufgrund der mittlerweile
kritisch aufgearbeiteten Manipulation des früheren Krieges eine kritischere
Einstellung vertreten. In einer globalisierten Welt gibt es auch Mittel und
Wege, Informationskanäle abseits offizieller "Pools" zu finden.
Man
kann von dieser Entwicklung Gedankenanstöße annehmen und auch zusätzliche Ideen
vorbringen: Wichtig zur Hebung der medialen Kritikfähigkeit sind
Journalistenausbildungen, die für solche und ähnliche Probleme sensibilisieren;
diese wiederum setzt medienwissenschaftliche Forschung zum Thema "Krieg
und Medien" sowie nach Mechanismen der Nachrichtenselektion voraus.
Wünschenswert
wäre im Zusammenhang mit aktuellen Kriegen auch eine Zunahme der
"Berichterstattung über die Berichterstattung": Journalisten könnten
in eigenen Sendungen die Menschen über ihre Recherchearbeit im Zusammenhang mit
dem Krieg aufklären, über ihre Quellen berichten und ihre Probleme bei der
Informationsgewinnung. Solche Sendungen, die es bereits des öfteren gab, hätten
nicht nur einen gewissen Bildungsauftrag, sondern wären aufgrund ihres
"heißen Themas" sogar potenzielle Quotenbringer. Sie würden auch
jedweder Manipulation entgegenwirken. Manipulation wirkt nicht mehr, wenn man
weiß, dass es sie gibt und wenn man weiß, wie sie funktioniert.
Im
Sinne einer modernen Medienpädagogik sollten sich gerade Verantwortliche im
Bildungsbereich darum bemühen, bereits junge Menschen für die Probleme
möglicher manipulativen Medienberichterstattung im Krieg zu sensibilisieren.
Allein dies könnte die Wirkung von "Kriegsöffentlichkeitsarbeit" –
egal von welcher Seite sie stammt – drastisch reduzieren. Demokratie braucht
kritische Seherinnen und Seher, Leserinnen und Leser, die mit gelieferten
Medieninhalten verantwortlich und reflektierend umgehen können, die
hinterfragen, nicht alles automatisch glauben – kurzum, Menschen, die
Medienmechanismen verstehen. So gesehen kann gelungene Medienerziehung auch
Friedenserziehung sein.
Fussnoten:
(1)
Jamie Shea, Die Kosovo-Krise und die Medien: Reflexionen eines NATO-Sprechers,
p.213
(2) ebd., p.217
(3) Scott Cutlip, Allen Center, Glen Broom,
Effective Public Relations, p.414
(4) Adam Roberts, NATO's "Humanitarian
War" over Kosovo, p.102
(5) Kurt Luger: Der zensurierte
Krieg. In: Österreichisches Studienzentrum für Frieden und Konfliktforschung
(Hg.): Warum Krieg? Die Zukunft des Krieges - Friedenspolitische Alternativen.
Wien 1992, S.50-65.
Literatur:
Scott Cutlip, Allen Center,
Glen Broom, Effective Public Relations. New
Jersey 2001.
Kurt Luger: Der zensurierte Krieg. In:
Österreichisches Studienzentrum für Frieden und Konfliktforschung (Hg.): Warum
Krieg? Die Zukunft des Krieges - Friedenspolitische Alternativen. Wien 1992, S.50-65.
Adam Roberts, NATO's "Humanitarian
War" over Kosovo. In: Survival, Autumn 1999, vol.4/3, p.112-123
Jamie
Shea, Die Kosovo-Krise und die Medien: Reflexionen eines
NATO-Sprechers. In: S+F, Zeitschrift für Sicherheit und Frieden 3/2000,
p.208-217
Der Autor:
Patrick Horvath ist seit 2004 Doktor der Philosophie sowie Absolvent der
Diplomatischen Akademie Wien, wo er interdisziplinäre Europastudien mit einem
Master degree abschloss. Gegenwärtig arbeitet er an seiner zweiten Dissertation
im Fachbereich Publizistik an der Universität Wien, in der er sich v.a. mit der
Öffentlichkeitsarbeit von Staaten auseinandersetzt.
Adresse: Dr.Patrick
Horvath, Florianigasse 46, 1080 Wien, patrick.horvath@telering.at