Patrick Horvath

 

Öffentlichkeitsarbeit und Krieg – eine unheilige Allianz?

 

 

Dass Krieg seit jeher von Propaganda, Lügen und Desinformation begleitet wird, ist allgemein bekannt. Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit, dies hört man oft. Neu sind aber die Strukturen der modernen, demokratisch verfassten Massenkommunikationsgesellschaften mit denen sich Kriegsführende auseinandersetzen müssen. Moderne Kriege werden nicht nur an einer, sondern an mehreren Fronten entschieden. Die internationalen Medien sind zu einem wesentlichen Schauplatz geworden, auf dem gekämpft wird – mit Public Relations-Managern als dort kämpfenden Soldaten.

 

Demokratische Regierungen stehen unter großem Legitimierungsdruck, wenn sie Krieg führen, d.h. das Leben eigener Soldaten aufs Spiel setzen und andere Völker angreifen, wenn sie töten und töten lassen. Dieser Druck ist auch prinzipiell wünschenswert – gerade weitreichende Entscheidungen rund um die Kriegsführung, in denen neben Milliardenausgaben noch viel kostbarere Menschenleben auf dem Spiel stehen, sollen aus demokratiepolitischen Überlegungen vor einer kritischen Öffentlichkeit gerechtfertigt werden. Weil aber gerade hier so viele Interessen auf dem Spiel stehen, versuchen natürlich alle Akteure Einfluss auf die Berichterstattung zu bekommen – Öffentlichkeitsarbeit bzw. PR im Krieg hat sich entsprechend bereits zu einem boomenden Beschäftigungsfeld entwickelt.

 

Autoritäre Regime haben im Medienkrieg einen gewissen "Startvorteil" gegenüber Demokratien: Sie können auf die Medien durch obrigkeitliche Maßnahmen und Zensur relativ leicht Einfluss nehmen. Jamie Shea, der NATO-Pressesprecher während des Kosovokrieges 1999, beklagt diese Situation in seinen "Reflexionen":1 Während der NATO zu Beginn des Krieges Bilder von tatsächlich stattgefundenen serbischen Gräueltaten im Kosovo fehlten, kontrollierte das serbische Regime den Boden und damit die Bilder. Journalisten wurden in abgeschotteten Bussen z.B. zu einem von der NATO irrtümlich beschossenen Traktor gebracht, den sie filmen durften; in den umliegenden brennenden Dörfern wurden ihnen allerdings Aufnahmen untersagt. So wurden die serbischen Gräuel vertuscht, die Fehler der NATO bei dem Versuch, eben diese Gräuel und Menschenrechtsverletzungen in einer "humanitären Intervention" zu verhindern, hingegen aufgebauscht. Zudem wurden zu kritische Journalisten von Milosevic oft genug einfach ausgewiesen. Bei einer NATO-Pressekonferenz in Brüssel darf jeder kritische Fragen stellen, ohne ausgewiesen zu werden.

 

Auch wenn dies alles stimmen mag, ist "Mitleid" mit dem NATO-Pressesprecher aber sicher fehl am Platz. Auch in einem Land mit Pressefreiheit gibt es durch die Anwendung moderner PR-Methoden genügend Mittel, ein gewisses erwünschtes Bild des Krieges zu erschaffen um die Öffentlichkeit im Sinne der jeweiligen Regierenden zu beeinflussen. Und so plaudert Shea in eben seinen "Reflexionen" auch ganz offen aus dem publizistischen Nähkästchen: "Eine Sache, die uns während der Kosovo-Krise gut gelungen ist, war das Beanspruchen von Sendezeit. Mit unserem Vormittags- und Nachmittags-Briefing im NATO-Hauptquartier und den täglichen Briefings im Verteidigungsministerium in London zur Mittagszeit und in Washington am Nachmittag schafften wir eine Situation, in der kein einziger regelmäßiger Fernsehzuschauer dieser Welt an der Botschaft der NATO vorbeikam. Es ist von entscheidender Bedeutung, die Medien dauerhaft zu beschäftigen und mit neuem Material zur Berichterstattung zu versorgen. Denn auf diese Weise neigen sie weniger dazu, selbst auf die Suche nach kritischen Stories zu gehen."2 Es geht also durchaus darum, Medien mit allerlei Informationen förmlich zu überfluten, um ihre Kritikfähigkeit zu beeinträchtigen.

 

Dass andere "alte Tricks" der Öffentlichkeitsarbeit auch gerade von Shea zum "Verkauf" des Krieges benutzt wurden, ist ebenso auffällig. Das PR-Lehrbuch von Cutlip, Center und Broom empfiehlt z.B. in der Unternehmenskommunikation nach außen Worte semantisch "anzupassen", an ihrer Semantik zu feilen. So soll ein Unternehmen aus Imagegründen nicht von "Stellenkürzungen" sprechen, sondern lieber vom "Downsizing" oder vom "Rightsizing" – es klingt besser und lässt sich leichter vertreten.3 Dass Menschen in der Welt der Realität ihre Existenzsicherung verlieren klingt so in der Welt der öffentlichen Kommunikation weitaus harmloser. Auch die NATO sprach nicht von durch ihre Bomben unschuldig getöteten Frauen und Kindern, sondern von bedauerlichen und unvermeidlichen "Kollateralschäden". Und ihre Sprecher insistierten öffentlich, dass die militärischen Aktionen im Kosovo kein "Krieg" waren, sondern vielmehr eine Art Polizeiaktion.4 Das klingt zwar wirklich besser, Menschen sterben aber so oder so. Kann Öffentlichkeitsarbeit, die in anderen Bereichen und auch allgemein so wichtige gesellschaftliche Aufgaben erfüllt, nicht zynisch und menschenverachtend werden, wenn man im Zusammenhang mit dem bedenklichen "Unternehmen" Krieg auf sie zurückgreift?

 

Auch im Krieg gegen den Irak 1991, noch von George Bush sen. ausgefochten, wurden Medien auf eine für eine Demokratie unglaubliche Art und Weise instrumentalisiert. Der Friedensforscher Kurt Luger vom Österreichischen Studienzentrum für Friedens- und Konfliktforschung hat einige der Mechanismen aufgearbeitet, mit deren Hilfe es dem Weißen Haus damals gelungen ist, kritische Informationen fast vollständig zu unterdrücken.5 Teilweise kam hier die moderne Technik zu Hilfe: Die in der Bombe eingebaute Kamera explodiert ebenfalls, sobald die Bombe ihr Ziel trifft. Die Getöteten aber sieht man nicht mehr, auch nicht die sogenannten "Kollateralschäden", die angeblich aufgrund der Zielgenauigkeit moderner Waffensysteme ohnehin kaum vorkommen würden – eine grobe Verharmlosung der noch immer bestehenden Ungenauigkeit jedes militärischen Angriffes.

 

Ebenfalls als sehr wirkungsvoll erwies sich aber auch das "Pooling". Während die selbstständige Einreise oder Tätigkeit von Journalisten im Irak unterdrückt wurde, lieferte man nur Informationen und Bilder an eine bestimmte Gruppe ausgewählter Journalisten. Wenn diese nicht im Sinne des Weißen Hauses berichteten, verloren sie ihren Platz im Pool und damit wertvolle Informationen und Bilder, mit denen sie selbst und ihr Medium aber ihr Auskommen bestritten – einer Gruppe schwedischer Journalisten ist es so ergangen. Viele Sender, auch private wie CNN, kooperierten. Nicht nur aus einem oft falsch verstandenen Patriotismus heraus, sondern auch aus Geschäftssinn: Krieg bringt Quoten und damit oft enorme Gewinne. Im medialen Konkurrenzkampf kann es teuer sein, wenn man von wertvollen Informationsquellen abgeschnitten wird. Und so wiederholte die Presse eines freien Landes unreflektierte Slogans wie "god is on our side" oder "the enemy is purely evil" anstatt über politische, soziale und historische Hintergründe zu berichten, der Krieg wurde stark personalisiert so als ginge es in ihm um einen persönlichen Streit zwischen einem Herrn Bush und einem Herrn Hussein, und die eingesetzten Waffen wurden als "smart bombs" und "sexy guns" sexualisiert. Es kann aber - selbst wenn man ein gerechtes Anliegen einer Kriegspartei voraussetzen würde - wohl in keinem Fall "sexy" sein, Menschen zu töten!

 

Es ist als durchaus positive Entwicklung festzustellen, dass die Medien sehr viel kritischer berichten, wenn es um den Irakkrieg 2003 und seine Folgen (z.B. die Besatzung) geht. Dazu haben einige Faktoren beigetragen: War der Krieg 1991 vom UN-Sicherheitsrat genehmigt, war seine Neuauflage eindeutig völkerrechtswidrig. Dies ist vielen aufgefallen und wurde auch deutlich betont. Dazu ist CNN mit dem arabischen Sender Al Jazeera sicherlich in der Region Naher Osten ein Gegengewicht gewachsen. Letzterer Sender mag auch auf seine Art parteiisch sein – aber eine gewisse "Opposition" zu einer dominanten Medienpolitik schadet dennoch nicht. Viele Journalisten haben eben aufgrund der mittlerweile kritisch aufgearbeiteten Manipulation des früheren Krieges eine kritischere Einstellung vertreten. In einer globalisierten Welt gibt es auch Mittel und Wege, Informationskanäle abseits offizieller "Pools" zu finden.

 

Man kann von dieser Entwicklung Gedankenanstöße annehmen und auch zusätzliche Ideen vorbringen: Wichtig zur Hebung der medialen Kritikfähigkeit sind Journalistenausbildungen, die für solche und ähnliche Probleme sensibilisieren; diese wiederum setzt medienwissenschaftliche Forschung zum Thema "Krieg und Medien" sowie nach Mechanismen der Nachrichtenselektion voraus.

 

Wünschenswert wäre im Zusammenhang mit aktuellen Kriegen auch eine Zunahme der "Berichterstattung über die Berichterstattung": Journalisten könnten in eigenen Sendungen die Menschen über ihre Recherchearbeit im Zusammenhang mit dem Krieg aufklären, über ihre Quellen berichten und ihre Probleme bei der Informationsgewinnung. Solche Sendungen, die es bereits des öfteren gab, hätten nicht nur einen gewissen Bildungsauftrag, sondern wären aufgrund ihres "heißen Themas" sogar potenzielle Quotenbringer. Sie würden auch jedweder Manipulation entgegenwirken. Manipulation wirkt nicht mehr, wenn man weiß, dass es sie gibt und wenn man weiß, wie sie funktioniert.

 

Im Sinne einer modernen Medienpädagogik sollten sich gerade Verantwortliche im Bildungsbereich darum bemühen, bereits junge Menschen für die Probleme möglicher manipulativen Medienberichterstattung im Krieg zu sensibilisieren. Allein dies könnte die Wirkung von "Kriegsöffentlichkeitsarbeit" – egal von welcher Seite sie stammt – drastisch reduzieren. Demokratie braucht kritische Seherinnen und Seher, Leserinnen und Leser, die mit gelieferten Medieninhalten verantwortlich und reflektierend umgehen können, die hinterfragen, nicht alles automatisch glauben – kurzum, Menschen, die Medienmechanismen verstehen. So gesehen kann gelungene Medienerziehung auch Friedenserziehung sein.

 

 

Fussnoten:

 

(1) Jamie Shea, Die Kosovo-Krise und die Medien: Reflexionen eines NATO-Sprechers, p.213

(2) ebd., p.217

(3) Scott Cutlip, Allen Center, Glen Broom, Effective Public Relations, p.414

(4) Adam Roberts, NATO's "Humanitarian War" over Kosovo, p.102

(5) Kurt Luger: Der zensurierte Krieg. In: Österreichisches Studienzentrum für Frieden und Konfliktforschung (Hg.): Warum Krieg? Die Zukunft des Krieges - Friedenspolitische Alternativen. Wien 1992, S.50-65.

 

 

Literatur:

 

Scott Cutlip, Allen Center, Glen Broom, Effective Public Relations. New Jersey 2001.

 

Kurt Luger: Der zensurierte Krieg. In: Österreichisches Studienzentrum für Frieden und Konfliktforschung (Hg.): Warum Krieg? Die Zukunft des Krieges - Friedenspolitische Alternativen. Wien 1992, S.50-65.

 

Adam Roberts, NATO's "Humanitarian War" over Kosovo. In: Survival, Autumn 1999, vol.4/3, p.112-123

 

Jamie Shea, Die Kosovo-Krise und die Medien: Reflexionen eines NATO-Sprechers. In: S+F, Zeitschrift für Sicherheit und Frieden 3/2000, p.208-217

 

 

Der Autor: Patrick Horvath ist seit 2004 Doktor der Philosophie sowie Absolvent der Diplomatischen Akademie Wien, wo er interdisziplinäre Europastudien mit einem Master degree abschloss. Gegenwärtig arbeitet er an seiner zweiten Dissertation im Fachbereich Publizistik an der Universität Wien, in der er sich v.a. mit der Öffentlichkeitsarbeit von Staaten auseinandersetzt.

 

Adresse: Dr.Patrick Horvath, Florianigasse 46, 1080 Wien, patrick.horvath@eclipso.at

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