Patrick Horvath, Mat.-Nr. 9502353

Lehrveranstaltung Druckmedien bei Dr. Peter Pelinka

Wintersemester 1998/99

 

Österreichs Medienlandschaft im Jahr 2010

 

Wachsender Medienmarkt

Über eines sind sich Experten in ihren Prognosen relativ einig: Der Medien - und Kommunikationsbereich boomt; man kann in dieser Branche jetzt und in Zukunft vielleicht noch mehr Geld und Macht - nicht zuletzt auch politische Macht - erwerben. Sind die Massenmedien also ein verheißungsvolles Land der unbegrenzten Möglichkeiten?

 

Wandlung von Verlagen zu Multi-Media-Häusern

Zumindest die Verlage machen eine verheißungsvolle Wandlung durch: Die Zeiten der Unternehmen, die nur ein einzigen Medium, wie etwa eine Tageszeitung oder einen Fernsehsender betreuen, scheinen endgültig vorbei zu sein. Als Beispiel dafür kann der STANDARD dienen: Nicht nur gibt dieser Betrieb eine qualitativ hochstehende Tageszeitung heraus, sondern auch eine online-Ausgabe davon; dazu existiert ein Engagement im Bereich des lokalen Privatfernsehens. Die MEDIAPRINT, das größte Zeitungsimperium des Landes, das mit der KRONE und dem KURIER etwa zwei Drittel der heimischen Auflage am Tageszeitungsmarkt abdeckt, ist beim Privatradiosender 88,6 beteiligt und mit dem Nachrichtenmagazin PROFIL verflochten. Nicht zuletzt fügt sich der ORF nahtlos in diesen Trend ein: Sein Internet-Projekt ORF ON ist mit ca. 5.000.000 Visits pro Monat die erfolgreichste Homepage des Landes, außerdem engagiert er sich immer stärker auf dem Bereich der Printmedien.

 

Erschließen neuer Geschäftsfelder - ein Fallbeispiel

So warf das Niederösterreichische Pressehaus erst jüngst gemeinsam mit dem ORF ein neues Magazin auf dem Markt, betitelt nach der beliebten ORF-Dokumentationsreihe UNIVERSUM. Das Magazin ist ein general-interest-Medium, jedoch mit dem breiten Schwerpunkt "Natur". Es wendet sich insbesonders, aber nicht ausschließlich an Liebhaber von UNIVERSUM und folgt damit einem internationalen Trend: Auch die BBC betreut eine große Reihe von höchst erfolgreichen Zeitschriften, die ihre Sendereihen oftmals ergänzen. Das UNIVERSUM-Magazin hat einen ständigen ORF-Bezug und profitiert von der großen Bekannt- und Beliebtheit der Sendung. Darüber hinaus bietet es zahlreiche eigenrecherchierte Themen, die sich um Tiere, Planzen, österreichische Naturparadiese und auch Fortschritte in den Wissenschaften drehen. Bisherige respektable Bilanz: Im Schnitt etwa 25.000 verkaufte Exemplare des zehnmal jährlich erscheinenden Produkts. Der ORF wie auch viele andere Medienunternehmer haben eben erkannt, daß viele Standbeine im Mediensektor besser sind als nur eines und sehen sich nach neuen, lukrativen Geschäftsfeldern um, die auch außerhalb ihres angestammten Bereichs liegen. Dieser Trend wird auch die österreichische Medienlandschaft der Zukunft formen.

 

Fortschreitende Pressekonzentration

Der österreichische Medienmarkt war schon seit jeher von einer hohen Medienkonzentration in den Händen weniger Eigentümer geprägt. Als bestes Beispiel dafür kann die oben besprochene MEDIAPRINT herhalten, die allein mit der KRONEN ZEITUNG etwa die Hälfte der heimischen Tageszeitungs-Gesamtauflage kontrolliert. Doch es gibt Anzeichen dafür, daß sich dieser Trend noch weiter verstärken wird. Mehr und mehr Konzerne schließen sich zusammen, um sogenannte "Synergie-Effekte" nutzen zu können. Vereinfacht erklärt bedeuten "Synergie-Effekte", daß durch den Zusammenschluß vieler Unternehmen zu Mammut-Betrieben für alle Beteiligten ungeheure Vorteile entstehen: Weniger Personal ist nötig, man kann sein Geld zusammenlegen und ist damit ungleich handlungsfähiger, man kann sich einen gemeinsamen Vertreib leisten, man spart Druckereikosten. Die künftige Medienlandschaft Österreichs wie auch der ganzen westlichen Welt wird noch stärker als heute von allmächtigen, riesigen Konzernen geprägt sein. Diese Entwicklung scheint demokratiepolitische bedenklich, weil sie die Meinungsvielfalt der Medienwelt gefährdet und Machtmißbräuche ungeahnten Ausmaßes ermöglicht. Dieser Umstand stellt insbesonders Anforderungen an die Medienpolitik, einer solchen Entwicklung mit Kartellgesetzen zu begegnen.

 

Internationalisierung der Besitzverhältnisse

Dieser auch unter dem Begriff "Globalisierung" firmierende Trend bewirkt, daß sich Besitzverhältnisse an Firmen international verflechten. Ausländische Firmen beteiligen sich auch immer stärker an österreichsichen Medienprodukten und werden das in Zukunft vermutlich noch stärker tun. Beispiele dafür gibt es wie Sand am Meer: Die WAZ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung) hält etwa die Hälfte der MEDIAPRINT, die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG knapp unter 50% am STANDARD, das WIRTSCHAFTSBLATT wird mit schwedischem Kapital finanziert. Dieser Trend wird Österreichs Medienlandschaft 2010 ohne Zweifel stark prägen.

 

Veränderungen durch das Internet

Das Internet ist ein ungemein stark wachsender Medienbereich - und es zeigt sich kein Abbruch in der Zunahme der User. Es gibt auch heute schon kaum ein Medienunternehmen, das nicht im Internet präsent wäre. ORF ON und die online-Ausgabe des STANDARD wurden bereits erwähnt, aber auch Zeitschriften wie NEWS oder FORMAT und praktisch alle Tageszeitungen sind in dem erfolgreichsten der Neuen Medien stark vertreten. Viele Experten prophezeien bereits, daß im nächsten Jahrtausend das Fernsehen als bisheriges Leitmedium von multimedialen Produktformen, zu denen auch das Internet gehört, verdrängt wird. Es gibt Apokalyptiker, die eine solche Entwicklung als Horror-Szenario wahrnehmen - wie es sie immer gibt, wenn sich die Kommunikationsmittel einer Gesellschaft verändern. Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, daß von vielen zu Beginn der Neuzeit - nach Erfindung des Buchdrucks - die aufkommende "Lesewut" beklagt wurde und eine Zersetzung beziehungsweise Veränderung der von ihnen gelobten mittelalterlichen Gesellschaft befürchtet wurde (die übrigens auch eingetreten ist - heute aber wird höchstens noch der Papst dem Mittelalter nachtrauern). Die oft geäußerte Befürchtung, die Neuen Medien seien nur eine Fortsetzung des Fernsehens und würden weiter dazu beitragen, die Masse zu verblöden, die Politik zu personalisieren und die Schriftkultur zu zerstören, halte ich für schlichtweg falsch. Ganz im Gegenteil, die Neuen Medien scheinen der Schriftkultur eine neue Chance zu geben. Das Internet etwa ist (zumindest heute) ein sehr textzentriertes Medium, das die abstraktere öffentliche Diskussion und damit das Argumentieren wieder zu ermöglichen scheint. Auch Neil Postman, der berühmte Fernsehkritiker, sieht dies so, wenn er in seinem Buch "Wir amüsieren uns zu Tode" dem Computer die schwere Aufgabe zuweist, die vom Fernsehen angerichtete Passivität und Massenverblödung wieder zu heilen. Das Internet hebt auch das nivellierende "Massenprogramm" auf, das von Fernsehen, Zeitungen und Radiosendern gleichsam gesendet wird: Es gibt den Spezialinteressen eine neue Plattform und neue Möglichkeiten der gegenseitigen Vernetzung. Ein fiktives Beispiel: In einem österreichischen Bundesland gibt es wahrscheinlich nur wenige Taubenzüchter, so wenige, daß sich für sie kein eigenes Fernsehprogramm lohnt. Eine Homepage zu diesem Spezialthema aber kann durchaus hohe Zugriffszahlen bekommen; denn alle Taubenzüchter weltweit zusammengenommen und via Internet vernetzt sind ein respektables Publikum von einer Größe, die vielleicht auch für die Werbewirtschaft interessant wird. Mit speziellen Suchprogrammen wird sich ein jeder sogar seine individuelle Zeitung aus den Internet-Inhalten zusammenstellen können. Das Internet spricht jeden einzelnen an, nicht ein "gleichgemachtes" Massenpublikum. Handel im Internet wird international, aber auch in Österreich weiter zunehmen; wirtschaftlich bietet das Internet Möglichkeiten, die noch längst nicht ausgeschöpft sind.

 

Das Buch: Ungewisse Zukunft?

In Zukunftsprognosen zum österreichischen Medienmarkt häufen sich die Befürchtungen, daß das Buch nach und nach endgültig aus dem Geistesleben der meisten Menschen verschwinden wird. Viele Fakten sprechen aber gegen diese These: Zum Beispiel ist der Buchmarkt noch immer ein wachsender Bereich; es werden soviele Bücher produziert, gekauft und auch gelesen wie noch nie zuvor. Daß sich das Buch allerdings gegen eine starke Medienkonkurrenz behaupten muß, ist auch nicht zu übersehen. Es ist auch unbestritten, daß die Position des Buches auch darum gefährdet ist, weil die Nutzung der anderen Medien oft viel einfacher istt als die des Buches: Lesen ist schwieriger als Fernsehen, es erfordert auch mehr Konzentration. Darum hört man auch oft von Leseschwächen - eine Fernsehschwäche dagegen ist weitgehend unbekannt.

Trotzdem bin ich aus vielerlei Gründen sehr zuversichtlich, daß sich das Buch auch in Österreichs Medienlandschaft 2010 behaupten wird. Zum Beispiel glaube ich, daß das Buch auch heute noch eine Art und Aufarbeitung der Information bietet, die anderen Medien nicht möglich ist. Ich erkannte dies erst kürzlich, als ich mich - auch im Rahmen meines politikwissenschaftlichen Studiums - mit dem Lewinsky-Skandal um den amerikanischen Präsidenten Bill Clinton beschäftigte. Das Internet wurde von konservativen Republikanern hauptsächlich als Propaganda-Instrument mißbraucht - man erinnere sich an die Anprangerung Clintons im Starr-Report, der zuerst im Internet publiziert wurde. Auch das Fernsehen, die Radiosender, ja selbst die Zeitungen lieferten nur einseitige Informationen, die meist entweder nach Propaganda oder Quotengeilheit rochen. Nur Bücher konnten mir Hintergrund-Analysen liefern, die ohne einseitige Skandalisierung und Personalisierung ein ausgewogenes Bild der Affäre lieferten. Das Buch ist also für die Aufbereitetung gewisser Informationen von keinem Medium wirklich ersetzbar. Trotz Horror-Szenarien bin ich also ziemlich sicher, daß es Bücher weiterhin geben wird, zumindest in den Haushalten eines gebildeten Publikums.

 

Magazin- und Tageszeitungsmarkt: Ungewisser Ausgang der Konkurrenzkämpfe

"Wild umfehdet, heiß umstritten" sei unsere Heimat, heißt es zumindest in der österreichischen Bundeshymne. Aus der Perspektive der Nachrichtenmagazine stimmt dies sicherlich. Erst vor kurzer Zeit startete Fellners News-Gruppe das Wochenmagazin FORMAT, das nun dem alteingesessenen PROFIL eine wilde Schlacht liefert, in der es um Reichweite und Inserenten geht. Beide Magazine bringen jede Woche um die 90.000 Stück an den Mann; doch es scheint ziemlich klar, daß der österreichische Markt viel zu klein ist für beide doch relativ ähnliche Produkte. Wer wird den Kampf gewinnen? Experten sind sich relativ einig, daß letztlich nur einer von beiden überleben wird - oder beide Magazine sich irgendwann zusammenschließen. Und: ein allfälliger Sieg wird nicht vorrangig auf journalistischem, sondern auf wirtschaftlichem Gebiet entschieden. Mit Billig-Aktionen und Dumping-Preisen versuchen sich beide Konkurrenten auszubooten: So werden Billig-Kombi-Abos angeboten (Kunden der KRONEN ZEITUNG können ein wahnwitzig billiges PROFIL-Abo erwerben, NEWS-Leser können FORMAT selten günstig erstehen). Wer wird diesen Konkurrenzkampf am längsten durchhalten, wer wird am längsten Unsummen für Billig-Angebote ausgeben können? Der spannende Kampf ist noch im Gange. Der österreichische Markt ist auch für qualitativ hochstehende Tageszeitungen viel zu klein. Ich glaube kaum, daß bis zum Jahre 2010 die bisherigen nationalen Qualitätsblätter, also PRESSE, STANDARD, SALZBURGER NACHRICHTEN, vielleicht auch der KURIER, in dieser Form nebeneinander bestehen werden. Fast all diesen Zeitungen geht es auch finanziell nicht besonders gut, und ohne die marktverzerrende, typisch österreichische Einrichtung der Presseförderung - eine staatliche Subventionierung von Medienprodukten - würden zumindest zwei der genannten Zeitungen schon längst untergegangen sein. Auf Dauer wird dies aber nicht ausreichen, um die wirtschaftlich kranke Qualitätspresse in Österreich in der alten Form aufrechtzuerhalten. Ich halte es für wahrscheinlich, daß es mittelfristig nur mehr eine, vielleicht zwei Qualitätszeitungen in Österreich geben wird, sei es aufgrund von Konkursen oder Zusammenschlüssen.

 

Special-Interest-, Fach- und Kundenzeitschriften, Mitgliedermagazine wachsen

Daß in diesem Bereich viel Geld zu holen ist, wird immer deutlicher: Das VISA-Magazin, das in 440.000 Exemplaren an alle Besitzer besagter Kreditkarte zugeschickt wird, rechnet sich ebenso wie Medizinzeitschriften oder Medienmagazine für Insider. Zumindest, wenn ein gutes Konzept und eine gute Vermarktung vorliegt. Dieser Bereich wird in den nächsten Jahren also sicher noch weiterwachsen und eröffnet auch Berufschancen. Allerdings ist gerade bei solchen Zeitschriften eine große Abhängigkeit von Inserenten vorhanden, weil sie ihren Hauptgewinn nicht aus dem Verkauf erzielen.

 

Wandel im Berufsbild Journalist

Aus all dem resultiert ein gewisser Wandel im journalistischem Berufbild. Im wachsenden Medienbereich wird es auch in Zukunft Chancen für Journalisten geben. Allerdings werden neue Anforderungen gestellt: Computer- und Internet- Kenntnisse werden immer wichtiger, ja unabdingbar. Ein zukünftiger Journalist wird zunehmend multimedial arbeiten müssen und mit Fernsehen, Radio, Internet und klassischem Printjournalismus gleichzeitig umgehen lernen. In Zukunft werden sich Journalisten noch stärker (vor allem zu Beginn ihrer Karriere) mit freier Mitarbeit oder Werkvertragsarbeit begnügen müssen.

 Patrick Horvath: "Über Philosophie und Politik"
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