Krisen - P.R.

Patrick Horvath

Werner Horvath: "Ölpest", Ausschnitte aus einem Gemälde im Stil des neuen bildenden Konstruktivismus

Seminararbeit aus "P.R.-Forschung 2000"
Lehrveranstaltungsleiter: Prof.Burkart
Wintersemester 1998/99 Universität Wien

Einleitung

Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag zum Projekt "Public Relations-Forschung 2000" des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien (Prof.Burkart) leisten. Besagtes ehrgeiziges Projekt setzt sich zum Ziel, eine Aufarbeitung der relevanten Beiträge zur gesamten wissenschaftlichen Public Relations - Forschung vorzunehmen und alle Hauptergebnisse zusammenzufassen, um im Jahr 2000 einen kompletten "state of the art" - Bericht vorlegen zu können.

Mein Beitrag ist die Aufarbeitung der maßgeblichen wissenschaftlichen Aufsätze, die in der renommierten Fachzeitschrift "Public Relations Review" zum Forschungsgebiet der Krisen-Public Relations oder verwandten Gebieten veröffentlicht wurden.

Die "Public Relations Review" gibt es seit 1975, mittlerweile erscheint sie vierteljährlich. Ihre Erscheinungsorte sind London, England und Greenwich, ein Ort im Bundesstaat Connecticut, USA. Seit den späten achtziger Jahren häufen sich in ihr zunehmend Artikel, die sich mit dem Thema "Krisen - Public Relations" befassen.

Dieses Thema ist, zum Zeitpunkt der Abfassung der vorliegenden Arbeit, sowohl in Österreich wie auch international gesehen, äußerst aktuell: Immer wieder geraten prominente Persönlichkeiten, Parteien oder Unternehmen in Krisen, die ihre Existenz gefährden und ihr Image ruinieren (man denke in diesem Zusammenhang etwa an die gegenwärtige Krise der Katholischen Kirche in Österreich oder die Spendenaffäre um den Europaparlament-Abgeordneten Karl Habsburg). Auch in Zukunft wird es ähnliche oder vergleichbare Probleme geben, das von mir gewählte Thema wird also nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft wichtig sein. In allen Artikeln versuchen sich die Autoren letztlich der Frage anzunähern, wie man ein gutes Image über eine Krise hinweg behaupten oder ein durch eine Krise zerstörtes Image wieder aufbauen kann.

Allgemein kann man über die in der P.R.-Review veröffentlichten Artikel sagen, daß sie die Entwicklung der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Krisen - P.R. im angloamerikanischen Raum widerspiegeln.

Die am häufigsten verwendete Methode ist das Fallbeispiel. Einzelne Krisenfälle und die im Gefolge des Krisenfalls ergriffenen Strategien der öffentlichen Kommunikation werden von den Autoren herausgegriffen und besprochen. Meist werden aus den Fallbeispielen Lehren gezogen und Theorien abgeleitet, deren Kenntnis wiederum einen besseren Umgang mit Krisen ermöglichen soll.

Die Artikel sind meistens sehr praxisbezogen, doch wissenschaftlicher Standard fehlt nicht. Die Beiträge zeigten mir, daß die unselige Trennung von wissenschaftlicher Theorie und beruflicher Praxis, wie sie leider - zum Nachteil von beidem - noch in manchen Teilen der Journalismusforschung bzw. des Journalismus vorherrscht, auch überwunden werden kann und soll.

Die Besprechung der Artikel ist chronologisch geordnet. Die chronologische Reihenfolge wurde aber durchbrochen, wenn Artikel, die zu verschiedenen Zeitpunkten erschienen, zusammenhingen; etwa, wenn sie eine Triologie zu einem Thema oder Abhandlungen zum selben Problem darstellten.

Aspekte zur Krisen-P.R.

1988 schrieb Martha Saunders den Artikel "Eastern's Employees Communication Crisis: A Case Study". Sie fordert eine gut funktionierende interne Krisen-P.R., also eine, die sich nach innen richtet und als Zielpublikum die eigenen Mitarbeiter wählt. Sie kritisiert, daß die meisten Ansätze der Krisen-P.R. nur extern sind, sich also um Außenstehende kümmern (Bevölkerung, Medien, Politiker etc.) Eine einseitig externe P.R.-Strategie kann sich aber bitter rächen. Denn nach Saunders Meinung gilt: "...the employee audience may hold the key to an organizationÌs ability to survive a crisis" (S.33).

Im Zentrum der Untersuchung steht eine Umfrage unter den Angestellten der Eastern Airlines, einer amerikanischen Fluglinie, die sich zu dieser Zeit in einer schweren Krise und bedrohlichen Konkurrenzkämpfen befand - diesen Eindruck teilten auch die Mitarbeiter. An der schriftlichen Befragung nahmen 120 zufällig ausgewählte Piloten teil. Die verschiedenen Ränge (Kapitäne, Co-Piloten, Flugingenieure) wurden in einem ausgewogenen und adäquaten Verhältnis berücksichtigt.

Schon die mündlich durchgeführten Pretests zeigten ein brennendes Interesse der Piloten an den Problemen und den weitverbreiteten Wunsch nach einem Feedback. Die Piloten waren äußerst besorgt um das Wohlergehen ihres Unternehmens. Einige mündliche Aussagen waren z.B.:

"We want to know what's going on!"
"Our people are crying for information!"
"I do not believe I'm getting accurate information from anybody."
"Our needs, the pilots', is to get the truth about what's happening to our airlines...and wha'Ìs going to happen to us."

Die schriftliche Befragung wurde von den Piloten sehr ernst genommen; sie schienen ein dringendes Bedürfnis nach Kommunikation zu haben. Mit einer einzigen Ausnahme beantworteten alle Piloten die Fragen gedankenvoll und vollständig. Einige fügten zusätzliche Blätter zum Fragebogen hinzu, um ihre Antwort zu vervollständigen. Ein Pilot legte eine Aussendung des Unternehmens bei, um seinen Standpunkt zu untermauern. Die Aussagen wiesen sehr große Gemeinsamkeiten auf. Diese waren in etwa folgende:

Zunächst hatten die meisten Piloten große Angst um das Unternehmen, mit dem sie sich allgemein stark identifizierten. Damit verbunden war auch die Angst um die eigene Zukunft und den Arbeitsplatz. Die Existenzsorgen lasteten sehr quälend auf den meisten Mitarbeitern.

Weit verbreitet war auch ein mangelndes Vertrauen zum Management. Die von dort stammenden, spärlichen Informationen wurden stark angezweifelt. Die mangelnde Glaubwürdigkeit der Firmenleitung wurde allgemein als größtes Problem der innerbetrieblichen Kommunikation eingestuft. Die meisten hatten den Eindruck, die Top-Manager wüßten zuwenig von den Nöten und Sorgen der Angestellten und würden sich auch kaum dafür interessieren.

Beklagt wurden auch die mangelnden Möglichkeiten eines Feedbacks zur Firmenleitung. Es wurden kaum Möglichkeiten gesehen, eigene Sorgen und Ängste auszudrücken oder Erfahrungen und Verbesserungsvorschläge einzubringen.

Einige persönliche Statements der Piloten sollen diese allgemeinen Aussagen untermauern (wörtliche Zitate):

"My whole life, career and livelihood is tied to this company."
"Constant stress due to uncertain future - Will I have a job next month, next year? If so can I afford a car, vacation, new furniture, house? Can I provide for my family?"
"Greatly (affected by current problems) I make less money than other pilots but most of all I feel that the public thinks I work for a second class outfit. This is not true, Eastern Airlines had always been a great company to work for and I hate for people not to realize this. I will be honest with you. I consider Eastern as my family and I will defend this company as fiercely as a brother will fight for his sister. I think what hurts is when management comes and goes and takes their big slice of financial reward and we do not serve the public any better, really, and the workers are getting discouraged."

Aus dem Artikel kann man folgende Schlußfolgerungen ziehen: Eastern Airlines hat es nicht geschafft, ein internes Krisen-P.R. zu etablieren. Dies sollte man aber tun. Denn die Mitarbeiter sind von der Krise am meisten betroffen, sehr stark an Information und Kommunikation interessiert und erleben die Krise in mehrfacher Hinsicht als schmerzhaft; einerseits wegen des Verlustes an Reputation, den die Firma und damit ihre Arbeit erleidet, andererseits aufgrund von Zukunftsängsten. Diese Ängste haben eine negative Auswirkung auf die Motivation und die Arbeitsleistung. Schon alleine aus taktischen Gründen sollten die Mitarbeiter daher eine wesentliche Zielgruppe einer P.R.-Strategie sein; die teilweise berührenden Statements der Mitarbeiter machen dies aber auch aus ethischen Überlegungen nötig. Das Management sollte diese in der Zeit der Krise von quälenden Sorgen geplagten, besonders betroffenen Menschen nicht einfach unberücksichtigt lassen.

Saunders rät allen in der Krise befindlichen Firmen, dem Mitarbeiter-Publikum folgendes zu gewährleisten:

" (1) Messages from top level management.
(2) Assurances of job security (if possible)
(3) More forums for effective feedback "

Am 28.Jänner 1986 explodierte das Raumschiff "Challenger" am Himmel Floridas. Bilder dieses tragischen Unfalls, bei dem sieben Astronauten ums Leben kamen, gingen um die Welt. Der Unfall war nicht nur ein schwerer Schlag für das Selbstbewußtsein der technik- und zukunftsgläubigen amerikanischen Nationen und ein Schock für die ganze westliche Welt, sondern auch eine schwere Image-Krise für die Raumfahrtindustrie. John A. Kaufmann untersucht in seinem Artikel "Rockwell Fails In Response To Shuttle Disaster", Public Relations Review 14 (4), 8-17, die mißglückte Strategie der Firma Rockwell auf die Krise. Rockwell, mit 123.000 Angestellten ein riesiges Unternehmen, konstruiert Space Shuttles - unter anderem wurde von dieser Firma auch die Challenger gebaut.

Nach der Katastrophe entschloß sich das Management zu einem nach Meinung von P.R.-Experten falschen und auch verhängnisvollen Schritt: Es wurde eine Informationssperre für Medien verhängt. Eine betriebsinterne Order verbot jedem Mitarbeiter, gegenüber Journalisten eine Stellungnahme abzugeben. Weder über den Unfall, noch über Gründe der Katastrophe, ja nicht einmal über allgemeine Informationen zur Challenger durfte gesprochen werden. Man wollte durch diese Strategie erreichen, daß die Presse mangels zuverlässiger Information die imageschädigende Berichterstattung zu diesem unangenehmen Thema einstellt.

Diese Erwartung stellte sich aber bald als falsch heraus. Bleiben Journalisten nämlich von zuverlässigen Informationsquellen ausgeschlossen, heißt das noch lange nicht, daß sie zu dem betreffenden Thema schweigen; vielmehr greifen sie auf unzuverlässige Informationsquellen zurück. Rockwell verlor bald die Kontrolle über den Informationsfluß. Das Informationsvakuum wirkte sich negativ auf die Medien aus, weil es die Berichterstattung schwieriger machte. Doch besonders schädlich war es für Rockwells Image. Die Medienattacken wurden feindlicher, emotionaler und unseriöser.

Treffend meint der vom Autor zitierte Harold Burson zu dieser Situation (S.15):

"In the absence of the company's perspective it is likely that the opinions formed and actions proposed (by others) will not be in the company's best interest."

In diesem Sinne kann jeder mit einer Krise konfrontierten Organisation geraten werden, eine offene Informationspolitik zu betreiben; ein Abkapseln von der Öffentlichkeit und ein "Informationsboykott", der sich gegen die Medien richtet, schadet dem Image in großem Maße.

Ein beliebtes Forschungsthema zur Krisen-Kommunikation ist der Untergang des Tankers Valdez der Firma Exxon vor der Küste Alaskas. Bei diesem Unglück im Jahre 1989 liefen einige Millionen Tonnen Öl ins Meer aus. Es starben zwar keine Menschen, dafür aber tausende Seevögel und Otter - eine Naturkatastrophe riesigen Ausmaßes. Diese Krise machte Exxon zur Zielscheibe von protestiernden Umweltschützern, Politikern und Medien; die Kosten für die Reinigung der Gewässer und die Schadensersatzzahlungen waren gewaltig. Außerdem büßte die Firma große Teile ihrer jährlichen Einnahmen durch einen weltweiten Boykott ein. Das Image von Exxon war zu dieser Zeit und noch lange danach stark beschädigt; der Name "Exxon" galt Ende der achziger Jahre als Synonym für einen ökologisch völlig unverantwortlich agierenden Konzern.

Gleich drei Artikel der P.R.-Review beschäftigen sich mit diesem Thema. 1991 erschien William J. Smalls Aufsatz "Exxon Valdez: How to Spend Billions and Still Get a Black Eye". Sein Zugang lautet folgendermaßen: Nach dem Untergang der Valdez gab Exxon zwei Milliarden Dollar für die Reinigung des Ozeans aus. An diesen Reinigungsarbeiten waren 12.000 gutverdienende Angestellte und 1.385 Schiffe und Flugzeuge beteiligt; eine ganze Armee und eine riesige Flotte also, die massenhaft Geld verschlangen. Zusätzlich mußte Exxon noch hunderte Millionen Dollar für Schadensersatzzahlungen ausgeben. Solch gewaltige Bemühungen und solchen finanziellen Aufwand, einen Schaden wiedergutzumachen, gab es niemals vorher in den USA. Dies alles änderte aber nichts daran, daß das Image der Firma Exxon zerstört war und sich kaum wiederherstellen ließ. Small meint, die mangelnde positive Wirkung dieser Bemühungen auf das Image der Firma lag an schlechtem oder unzureichendem Krisen-Public Relations.

Als Hauptfehler von Exxon sieht Small einige falsche Reaktionen: Verantwortliche der Firma reagierten eine Woche lang nicht auf Medienberichte. Das ist, wie sich schon oft erwiesen hat, eine zutiefst falsche Strategie. Isolation von den Medien und Abspeisen der Journalisten mit den Worten "Kein Kommentar" hat nur zur Folge, daß die eigenen Mitarbeiter und die Öffentlichkeit verunsichert werden, ferner die Journalisten zu Spekulationen angehalten sind. Diese Spekulationen sind oft schlimmer als die nackte Wahrheit. Außerdem verliert das Unternehmen die Kontrolle über das Thema; andere bestimmen die veröffentlichten Medieninhalte. Ein Unternehmen, das Fehler von sich aus und rasch zugibt, behält außerdem viel an Glaubwürdigkeit.

Verantwortliche Top-Manager der Firma reisten auch nicht zum Unglücksort. Die persönliche Anwesenheit hat zwar wenig inhaltliche, aber dafür umso mehr symbolische Bedeutung. Denn sie signalisiert Betroffenheit und den Willen, einiges zu ändern. Die Firma Exxon hätte außerdem über kein Pressezentrum verfügt, in dem sie Journalisten aus erster Hand mit Informationen versorgen hätte können. Über ein solches Pressezentrum hätte sie zumindestens teilweise die Medienberichterstattung in ihrem Sinne beeinflussen können.

Small nennt im Zusammenhang mit dem Versagen der Krisen-P.R. von Exxon auch Strategien, wie man es besser machen könnte; Strategien, die für eine erfolgreiche Krisen-P.R. unabdingbar sind. Dazu gehört unter anderem auch Offenheit in der Informationspolitik - wie oben besprochen erhöht das die Glaubwürdigkeit - andererseits auch (zumindest glaubhaft gespielte) Reue. Die Firmenleitung muß der Öffentlichkeit signalisieren können, daß ihr der Vorfall leidtut. Man braucht drei Dinge für erfolgreiches Krisen-P.R.: "Regret, Restitution and Reform". Das heißt: Das Publikum verlangt bei den Urhebern einer als anstößig empfundenen Tat zuerst Reue, ferner eine Wiedergutmachung und zuletzt die durch Reformen abgesicherte Garantie, daß sich eine solche Krise nicht mehr wiederholt.

Ist man in Krise geraten, muß man schnell auf Vorwürfe reagieren, um die mediale Kontrolle über das Thema nicht zu verlieren. Die Krise läßt einer Firma auch wenig Zeit zum Handeln. Man sollte daher schon frühzeitig, in guten Zeiten sozusagen, Krisenpläne ausarbeiten. In einigen Firmen gibt es sogar Krisen-Simulationen, die eine bessere Vorbereitung für Mitarbeiter gewährleisten sollen.

Die verantwortlichen Leiter und Top-Manager einer Firma sollten sich zum Schauplatz der Krise begeben, um in der Öffentlichkeit zu punkten. Außerdem sollten diese Leute in der Öffentlichkeit zu den Ereignissen persönlich Stellung nehmen. Oftmals ist dafür ein spezielles Kommunikationstraining für Manager nötig.

Gutes Krisen-P.R. setzt gutes P.R. in ruhigeren Zeiten voraus. In der Krise kann man womöglich erst die Früchte einer jahrelangen Öffentlichkeitsarbeit ernten. Man sollte schon gute Kontakte zu Journalisten, Politikern und anderen opinion leaders geknüpft und in der Öffentlichkeit Vertrauen erworben haben. Wenn Menschen dem Unternehmen gewogen sind, kann sich dies in der Krise als nützlich erweisen. Doch selbst dann kann man nicht erwarten, daß man mit Samthandschuhen behandelt wird.

Im Jahr 1991 erschien auch eine empirische Untersuchung zu Exxons Valdez-Krise. Sie wurde verfaßt von Samuel Coad Dyer Jr., M. Mark Miller und Jeff Boone und trägt den Titel "Wire Service Coverage of the Exxon Valdez Crisis". Es wurden die Meldungen zweier großer Nachrichtenagenturen miteinander verglichen, nämlich die der A.P. Wire (versorgt 90% aller Zeitungen und zahlreiche große Fernsehstationen mit Informationen) und der Business Wire (die im wesentlichen ein Sprachrohr großer Betriebe ist und offizielle Presseaussendungen von diesen anbietet). Der Untersuchungszeitraum lag zwischen einem Jahr vor und einem Jahr nach dem Tankerunfall.

Ein wichtiges Ergebnis der Untersuchung lag auf der Hand, man hätte dafür eigentlich keine aufwendige Forschungsarbeit gebraucht: Im März 1989, also im Monat der Katastrophe stieg die Anzahl der Meldungen in A.P. Wire beträchtlich. Business Wire zog bald darauf nach.

Interessant ist, daß die Zahl der Meldungen im April noch rapide anstieg; die Presse hatte das Thema dann noch stärker aufgegriffen. Die Untersuchung bringt auch - wie erwartet - die Erkenntnis zutage, daß in der Berichterstattung beider Nachrichtenagenturen die Umweltfragen dominierten. Nur in den offiziellen Selbstdarstellungen von Business Wire schien man die sich aus der Umweltkatastrophe ergebenen rechtlichen Fragen weitgehend auszuklammern, während man sie in der mehr journalistischen Agentur öfter aufwarf.

Ich persönlich halte die Studie von Dyer, Miller und Boone trotz mancher interessanter Aspekte für äußerst dürftig, weil sie mithilfe komplizierter statistischer Verfahren (Faktorenanalyse) Dinge herausfindet, die man vorher auch schon wußte oder sich zumindest denken konnte. Außerdem enthält die Studie keinerlei Handlungsanweisungen für den P.R.-Praktiker. Ich glaube kaum, daß man die Ergebnisse der Studie für effiziente Krisen-Kommunikation nutzbringend anwenden kann.

Im Mittelpunkt des 1994 zum Thema Valdez erschienenen dritten Aufsatzes von David E. Williams und Bolanle A. Olaniran ("Exxon's Decision-Making Flaws: The Hypervigilant Response to the Valdez Grounding") stehen erneut die Fehler in Exxons Krisen-Public Relations. Die Autoren meinen, daß die Valdez-Krise völlig überraschend über Exxon hereingebrochen sei: Man hatte mit einer Krise solchen Ausmaßes nicht gerechnet. Und so verlor die Firmenleitung den Kopf.

Dies hatte unter anderem zur Folge, daß Exxon mehrmals die Verteidigungsstrategie wechselte. Zunächst schlug man eine Strategie ein, die die Autoren als "sharing the burden" bezeichneten. Man schob die Schuld für das Ausmaß der Katastrophe auf das schlechte Wetter. Die Medien und die öffentliche Meinung nahmen dies als faule Ausrede auf. Dann versuchte man die Schuld auch noch mit den Behörden zu teilen. Man warf den offiziellen Stellen vor, zu lange gebraucht zu haben für eine Genehmigung zum Einsatz der Reinigungsarbeiten. Diese Strategie wurde von der Öffentlichkeit ebenfalls nicht gutgeheißen.

Nun wechselte man plötzlich die Strategie: Man begnügte sich nicht mehr, die Schuld zu teilen, sondern suchte einen Sündenbock. Dieser war rasch gefunden: Der Kapitän der Valdez, Hazelwood, hatte in der Vergangenheit Alkoholprobleme, mußte schon Jahre zuvor an einem Entzugsprogramm teilnehmen und Gerüchte verdichteten sich, daß er im Laufe der Krise trotz strengstem Verbot Alkohol zu sich genommen hatte (Hazelwood wurde später übrigens von letzterem Vorwurf freigesprochen). Die Öffentlichkeit war auch tatsächlich entrüstet. Exxons Strategie, einen Sündenbock zu finden, ging aber nicht auf. Denn bald stellten Journalisten lautstark die Frage, warum die Verantwortlichen bei Exxon einen Trinker an das Steuer ihres Schiffes gelassen haben. Es scheint also keine gute Strategie zu sein, die Schuld auf einen eigenen Mitarbeiter abzuschieben - denn wer ihn ausgewählt hat, trägt sicherlich auch eine gewisse Mitverantwortung.

Erst nach diesen Erfahrungen machte Exxon eine Wendung zu einer dritten Strategie: Man akzeptierte die Schuld und engagierte sich bei der Wiedergutmachung. Diese Strategie hätte man nach Meinung der Autoren zuerst einschlagen sollen, ohne unnötige Umwege, die die Sache nur verschlimmerten. Aufgrund des langen Zauderns in dieser Sache wurden die darauf folgenden, übrigens kostspieligen Bemühungen der Firma Exxon zur Wiedergutmachung von der Öffentlichkeit zu wenig wahrgenommen.

Welche Lehren können nun aus der Valdez-Krise gezogen werden?

Zunächst muß man meistern, was die Autoren das "Initial Response Dilemma" nennen. "This dilemma provides a serious problem for crisis management personell - how can alternatives be properly evaluated and a good decision made when the decision needs to be immediate" (S.15) Man muß unter ungeheurem Zeitdruck Entscheidungen treffen - Krisen treten nun einmal plötzlich und unerwartet auf und fordern schnelle Reaktionen - trotzdem sollte die Reaktion durchdacht und effizient sein. Ein offenkundiger Widerspruch. Man kann dem Dilemma mit einem guten Plan zur Krisenbewältigung entkommen, der in ruhigen Zeiten vorbereitet werden sollte.

Nach Meinung der Autoren muß man das "Decision Environment", die Umgebung, in der Entscheidungen fallen, trennen von dem "Disaster Environment", der Umgebung also, in der die Krise stattfindet. Wenn nämlich die Entscheidungsträger die Krise hautnah miterleben, treffen sie möglicherweise Entscheidungen, die übereilt, emotional und wenig durchdacht sind. Man beachte, daß sich diese Ansicht von der oben besprochenen Meinung Smalls unterscheidet, der meint, die Top-Manager sollten sich zum Schauplatz der Krise begeben, um so Betroffenheit zu signalisieren. Nach Meinung Williams und Olanirans wäre dies aber ein Fehler, weil so die Entscheidungsfähigkeit der Verantwortlichen negativ beeinflußt werden könnte.

Die kulturellen Unterschiede im Krisen-P.R. beleuchtete Marion K. Pinsdorf in dem Aufsatz "Flying Different Skies: How Cultures respond to Airline Disasters". Es handelt sich eigentlich um eine Art philosophische Abhandlung über das Denken verschiedener Kulturen und die aus diesem Denken resultierenden verschiedenen Reaktionen auf eine Krise. Durch einen Vergleich z.B. zweier Flugzeugabstürze versucht die Autorin zu beweisen, daß wir nur scheinbar in dem von McLuhan proklamierten "globalen Dorf" leben, in dem die Menschheit enger zusammenrückt und zu einer Einheit findet. Zweifellos gibt es heutzutage stärkere Vernetzungen zwischen Weltstädten der westlichen Welt, aber fundamentale kulturelle Unterschiede sind noch immer vorhanden - wie eh und je.

Als im Jahre 1985 ein Flugzeug der japanischen Fluglinie JAL über Nagano abstürzte - 520 Menschen, hauptsächlich Japaner, kamen dabei ums Leben - brach in Japan eine nationale Krise aus. In den Reaktionen der Öffentlichkeit und der Firmenleitung auf diese Krise wurde einerseits japanische Tradition, andererseits das stark ausgeprägte soziale Denken der Japaner sichtbar (in der westlichen Welt herrscht eher individualistisches Denken vor).

Bei der Gedenkfeier für die Opfer verbeugte sich der Präsident des Unternehmens, Yasumoto Takagi, lange und tief vor den versammelten Angehörigen. Danach folgte ebenfalls eine tiefe Verbeugung vor einer Wandtafel, auf der die Namen der Opfer angeführt waren. Er bot seinen Rücktritt an. Der Chef der Flugzeugwartung beging Selbstmord, denn er hatte "sein Gesicht verloren" und konnte diese Schande nach japanischen Wertvorstellungen nur durch ein ehrenvolles Harakiri tilgen. Selbstmorde anderer verantwortlicher Ingenieure folgten. Als die Angehörigen nach Nagano reisten und vom Flughafen in Tokyo abflogen, stand Präsident Takagi am Fuße der Stiegen und verbeugte sich tief vor den Abreisenden. Das ist nicht unbedingt das Benehmen eines westlichen Top-Managers.

Jeder Angestellte von JAL, vom Präsidenten bis zum Flughafenpersonal wurde mobilisiert, um den Angehörigen Gesten der Anteilnahme nahezubringen. Als Familienmitglieder der Opfer zu einem kleinen Berg reisen mußten, um Leichen zu identifizieren, wurden sie von Angestellten der Fluglinie begleitet. Sie bezahlten all ihre Kosten, brachten ihnen Essen, Trinken und saubere Kleidung.

Einige Zeit später waren fast das gesamte Management und sämtliche verantwortliche Posten neu besetzt. Die aus der Krise gezogenen personellen Konsequenzen waren enorm.

Sozial besorgt wie JAL war, wurde - freiwillig - ein Fond eingerichtet, aus dem die Ausbildung der Kinder bezahlt werden konnte, die ihre Eltern beim Absturz verloren hatten.

Es gab übrigens kein einziges Gerichtsverfahren gegen die Fluglinie. Vielleicht ist das aber auch darauf zurückzuführen, daß die japanische Kultur nicht so streit- und prozeßsüchtig ist wie die unsrige.

Beim Absturz einer PanAm-Maschine über Lockerbie, Schottland, sah die Reaktion der Fluglinie anders aus. Der Präsident von PanAm bemühte sich nicht zum Schauplatz des Unglücks. Es wurde auch kein Fonds für Waisenkinder eingerichtet. Es war noch ungeklärt, warum sich das Unglück ereignet hatte, doch das Gerücht tauchte auf, es sei das Werk von Terroristen gewesen. PanAm erklärte, von den Behörden nicht vor jüngsten terroristischen Aktivitäten gewarnt worden zu sein. Eine glatte Lüge, wie sich bald herausstellen sollte. In Wahrheit war jede Fluglinie, auch PanAm rechtzeitig gewarnt worden.

Die Fluglinie zeigte wenig Anteilnahme am Tod der Passagiere. Es wurden auch kaum personelle Konsequenzen gezogen.

Kurze Zeit später prasselten gewaltige Schadenersatzforderungen der Angehörigen auf die Fluglinie nieder. Dutzende langwierige, kostspielige Prozesse folgten, hohe Zahlungen wurden geleistet. Bei uns kann man eben mit Geld alles regeln, selbst der Verlust von Menschenleben wird so ausgeglichen. Materielle Zuwendungen ersetzen ehrliche Betroffenheit.

Interessant an Pinsdorfs Artikel ist die Methode des Vergleichs. Im Lichte dieser Arbeit kann man sagen, daß unterschiedliche Kulturen Krisen auch unterschiedlich bewältigen. Was in den meisten unserer Bücher und Fachzeitschriftenartikel über effizientes Krisen-P.R. gesagt wird, gilt wohl hauptsächlich für unsere westliche Kultur.

Im Frühling 1991 erschien der Artikel von Falguni Sen und William G. Engelhoff mit dem Titel "Six Years and Counting: Learning from Crisis Management at Bhopal". Im Mittelpunkt steht eine gewaltige Krise, die sich 1984 im indischen Ort Bhopal ereignete: Aus einer chemischen Fabrik der Union Carbide traten Giftstoffe aus. Dieser Unfall kostete 3.000 umwohnenden Menschen das Leben. 200.000 wurden ernsthaft verletzt. Die Krise hatte zur Folge, daß die Gewinne und die Aktienkurse der Firma in die Tiefe fielen, die Schuldenlast durch die großen Schadensersatzzahlungen stieg und das Image des Unternehmens weitgehend zerstört wurde. Die Anzahl der Mitarbeiter mußte infolge von finanziellen Schwierigkeiten und krisenbedingte Strukturreformen von 98.000 auf 43.000 reduziert werden. Unter anderem hatten mangelhafte Sicherheitsmaßnahmen zu der Krise geführt.

Union Carbides Versuche, das Image zu reparieren, scheiterten - nicht zuletzt aufgrund eines schlechten Krisen-Managements. Der Vorsitzende der Union reiste sobald er konnte nach Indien, den Schauplatz des Geschehens, eine durchaus von Experten empfohlene Praktik, die Sympathien wecken kann. Anderson wurde aber von den indischen Behörden sogleich festgenommen und in ein Gefängnis gesteckt. Dies wirkte sich insofern negativ auf die Firma aus, weil sie in der Zeit der Krise nun führerlos war. Union Carbides öffentliches Angebot auf einen Ausgleich durch die Zahlung eines Schadensersatzes von 200 Millionen Dollar wurde von der Öffentlichkeit schlecht aufgenommen, als bekannt wurde, daß die Union Carbide auf genau diese Summe versichert war. Man warf dem Unternehmen vor, dem Schicksal der Betroffenen gleichgültig gegenüberzustehen. Die von der Firma versprochenen sofortigen Hilfszahlungen von einigen Millionen Dollar blieben ganz aus, was ihr ebenfalls keine Sympathien in der Öffentlichkeit verschaffte. Es hilft also wenig, wenn große Versprechungen gemacht werden - man muß der Öffentlichkeit auch durch Taten seine Aufrichtigkeit beweisen.

Sen und Engelhoff unterscheiden allgemein fünf Ursachen von Krisen (S.79):

" (I) Human Error

(II) Technological Fault

(III) Societal reasons (this will include political factors such as war, or acts of sabotage and terrorism)

(IV) Natural disaster related (such as earthquakes, typhoons etc.)

(V) Managerial disaster "

Diese Unterscheidung ist nach Meinung der Autoren deshalb wichtig, weil je nach Ursache der Krise unterschiedliche P.R.-Strategien angewendet werden können. Eine Krise, an der das Management des Unternehmens Schuld hat, sollte gleich zugegeben werden, das Unternehmen sollte die Schuld akzeptieren und nicht versuchen, sie auf andere abzuschieben. So kann viel an Reputation gewahrt bleiben. In den übrigen Fällen soll die Firma die Schuld zurückweisen, aber trotzdem die Verantwortung für den Schaden wahrnehmen.

Die Autoren kritisieren an Union Carbide auch die Einteilung des Krisen-Managements in verschiedene Phasen. Die Firma plante, zuerst die Krise vorort unter Kontrolle zu bringen und sich danach um rechtliche Konsequenzen wie auch das Image zu kümmern. Doch ein Angriff an mehreren Fronten gleichzeitig wäre hilfreicher gewesen. Das Publikum hat nämlich nicht viel Geduld und oftmals entscheidet der erste Eindruck vom Umgang mit der Krise über das weitere Image des Unternehmens. Das Informieren der Medien und die Öffentlichkeit sollten nicht erst an zweiter Stelle stehen; man sollte sie aus ethischen wie taktischen Gründen nicht zu lange im Unklaren lassen.

David Stiles Shipley behandelt in seinem Artikel von 1992 "Sacrifice, Victimization and Mismanagement of Issues: LBJ's Vietnam Crisis" die mißglückte mediale Bewältigung des Vietnamkrieges durch Präsident Lyndon B. Johnson. Dieser Krieg gilt bis heute als eine der größten Krisen der USA.

Wie die Informationspolitik Johnsons aussah, beschreibt der Autor so: "For sixteen months after becoming president, Johnson avoided a thorough explanation of his policies in Vietnam. Meanwhile, the situation in Saigon deteriorated to the point of collapse"(S.276). Zwei Tage vor Johnsons Wahlsieg wurde eine amerikanische air base in Bienhoa von Vietkong angegriffen, zu Weihnachten desselben Jahres wurde ein Offiziersposten in Saigon bombardiert. Johnson tat in beiden Fällen nichts; in der Öffentlichkeit pflegte er über den Krieg und die damit verbundenen Vorfälle zu schweigen. Er meinte über sein Schweigen über den Krieg: "If you have a mother-in-law with only one eye in the middle of her forehead, you don't keep her in the livingroom."

Je länger sich der Krieg hinzog, umso mehr wuchs der Druck der Kriegsgegner. Im Senat hatte sich bereits ein mächtiger Friedensblock herausgebildet, Studenten protestierten, Intellektuelle veranstalteten Medienkampagnen gegen den Krieg. Dazu kam auch außenpolitischer Druck: Großbritannien und Frankreich, wichtige Verbündete der USA, forderten ein Ende des Krieges. Johnsons Präsidentschaft war in der Krise.

Von den massiven Protesten in die Enge betrieben, entschloß sich Johnson zu einem Trick, der im Laufe der Geschichte der Kriegsvermarktung schon oftmals angewandt wurde.

In einer öffentlichen, vielbeachteten Rede an der John Hopkins University zeigte er sich als Mann des Friedens. Er meinte, er würde folgendes niemals zulassen: "American boys (...) fighting a war that I think ought to be fought by Asian boys". Er versprach, bei der nächsten Wahl als Kandidat des Friedens anzutreten. Ferner verkündete er bei anderen Gelegenheiten, "we seek no wider war". Er bot Nord-Vietnam Wirtschaftshilfe an, ferner Frieden und Zusammenarbeit. Diese Rede wurde sowohl von den Medien wie auch vom Ausland jubelnd aufgenommen. Hunderte Dankesbriefe und Telegramme trafen im Weißen Haus ein, Staatsmänner in aller Welt lobten Johnsons Entgegenkommen.

Es gibt viele Indizien dafür, daß Johnson niemals vorgehabt hatte, wirklich Frieden einzugehen (er verlegte z.B. kurz vor seiner Rede mehr Truppen nach Vietnam). Er wußte auch sicherlich gut, daß die Gegenseite zu diesem Zeitpunkt einen Frieden ausschlagen würde. Daß er in einer pathetischen Rede den Frieden anpries und anbot, ist durchaus als Akt der politischen P.R. zu verstehen, ein geschicktes Manöver: Es verlieh ihm die Möglichkeit, sich selbst als friedliebenden Menschenfreund zu präsentieren; die Gegenseite stand in aller Öffentlichkeit als Aggressor da. Er konnte nun den Krieg als eine Art Selbstverteidigung darstellen. Pazifisten wie Kriegstreiber sollten durch diese Strategie gleichermaßen befriedigt werden: Den Pazifisten zeigte er den guten Willen, Frieden zu schließen, die anderen hatten ihren Krieg.

Vieles spricht dafür, daß Shipley die Tragweite und Geschicklichkeit der Strategie Johnsons nicht wirklich erkannt hat. Er bezeichnet Johnsons P.R.-Linie als durchwegs mangelhaft und ungeschickt - aber im selben Atemzug zeichnet er, indem er die Fakten über Johnsons Reden und öffentliche Auftritte nennt, das Bild von Johnsons genialer und ausgekochter Propagandastrategie, die ihresgleichen sucht. Shipley scheint Schwierigkeiten zu haben, die von ihm angeführten Fakten über Johnsons öffentliches Auftreten in ihrer ganzen Tragweite zu verstehen. Er gleicht einem Autor, der Einsteins Werk darstellt mit den Worten: "Einstein ist ein zutiefst schlechter Physiker, dem alle Grundbegriffe der modernen Naturwissenschaft fehlen. So meint er etwa in seiner Relativitätstheorie, die Zeit ändere sich mit der Höhe der Geschwindigkeit und vergehe nahe der Lichtgeschwindigkeit langsamer als sonst. Dabei weiß doch jedes Kind, daß die Zeit eine unveränderliche Grundkonstante ist." Eben nicht.

Shipley erkennt auch nicht (wahrscheinlich, weil ihm der historische Hintergrund fehlt), daß dieser geniale Trick der Kriegsvermarktung schon lange vor Johnson verwendet wurde. Zum Beispiel von Napoleon, der einmal seinen Feinden Frieden anbot, wohl wissend, daß sie diesen ablehnen würden - zugegeben hat er diese Finte in seinen auf St.Helena verfaßten Memoiren. Auch die Sowjetunion bot einmal die Zerstörung all ihrer Nuklearwaffen an, wenn die Amerikaner das gleiche mit den ihren täten. Die Herren des Politbüros wußten genau, daß die USA dies ablehnen würde. Aber sie konnten sich als Liebhaber des Friedens präsentieren und einen psychologischen Vorteil erlangen.

Ich habe auch den Eindruck, daß Shipley zwei Dinge verwechselt: Die moralische Verwerflichkeit und die propagandistische Nützlichkeit einer Strategie. Johnsons Trick war vielleicht schlecht, wenn man in moralischen Kategorien denkt; in strategischen war er gut. Shipley bringt meiner Meinung nach beides durcheinander, wenn er über die Schlechtigkeit von Johnsons P.R. spricht.

Der Vietnamkrieg gilt heute als moralisch schlechter Krieg. Noch heute redet die westliche Welt über die von Amerikanern in Vietnam begangenen Greueltaten. Heute gehört es längst zum guten Ton, einst ein Gegner des Vietnamkrieges gewesen zu sein. Wie ist dies mit meiner Ansicht zu vereinen, daß die Kriegs- und Krisen- P.R. Johnsons trotzdem vorzüglich war? Der Augenschein spricht für den lieben Shipley, der gerade das bestreitet.

Dazu sage ich: Die beste Vermarktung eines Krieg ist, ihn zu gewinnen. Geschichte ist die Geschichte der Sieger. Dem strahlenden Sieger eines Krieges jubeln nicht nur die Massen zu, sondern auch die Historiker sehen ihm gemeinhin seine moralischen Untaten nach. Man beginnt sich erst auf die moralische Verwerflichkeit des Kriegsherrn zu besinnen, wenn er den Krieg verliert.

Wo waren die Kriegsgegner beim siegreichen Golfkrieg? Wo die kritischen Stimmen? Beim verlorenen Vietnamkrieg fehlten sie nicht.

Warum ist Caesar ein Held, Catilina ein Schuft? Beide wagten Putsch und Bürgerkrieg, ihr Ziel war einzig die Macht in Rom - nur der eine siegte, der andere verlor. Vor dem Weltgericht der Geschichte entscheidet der Sieg allein über Freispruch und Verdammung. Dieser letzte Satz ist nicht gerecht, aber wahr.

Und so kann ich sagen: Wenn Johnson gesiegt hätte, wäre er ein Held bis heute - nicht zuletzt auch wegen seiner politischen P.R..

Keith Michael Hearit veröffentlichte in der "Public Relations Review" zum Thema Krisen-P.R. drei Artikel, die nach seinen eigenen Angaben nicht unabhängig voneinander sind, sondern eine zusammenhängende Triologie darstellen. (Für den 1996 erschienene Artikel über die Kommunikationsstrategie des Gegenangriffes wurde er übrigens mit dem "Pride Award" der Public Relations Division der National Communication Association ausgezeichnet).

Sein erster, 1994 erschienener Artikel trägt den Titel "Apologies and Public Relations Crises at Chrysler, Toshiba and Volvo". Er beschäftigt sich allgemein mit Strategien der Krisen-Public Relations. Sehr wichtig für eine erfolgreiche Krisenbewältigung erscheint ihm der strategische Einsatz der Terminologie. Beispiel: Die Firma Chrysler wurde überführt, Autos als neu verkauft zu haben, die aber tatsächlich bereits gebraucht waren. Man hatte zur Täuschung der Kunden einfach die Tachos zurückgestellt. Nun bezeichneten die Verantwortlichen die Affäre nicht etwa als "Betrug", sondern als "Testprogramm". Letztlich ist das ein geschicktes Plazieren von strategischen Namen. Eine der vielen anderen Strategien ist der Ausdruck von Zerknirschung. Entschuldigungen, die in Anzeigen artikuliert werden, reduzieren oftmals die Feindlichkeit des Publikums gegenüber dem Unternehmen.

In seinem Artikel "The Use of Counter-Attack in Apologetic Public Relations Crises: The Case of General Motors vs. Dateline NBC", Public Relations Review 22 (3), 233-248, geht es um eine Analyse der Strategie des Gegenangriffes, die nach Hearits Meinung immer häufiger in der Krisen-Kommunikation eingesetzt wird. Er führt ein Fallbespiel an, einen Konflikts der Firma General Motors mit dem Fernsehsender NBC: In einem Bericht einer bekannten Nachrichtensendung wurde der neue von General Motors produzierte Lastwagen als fehlerhaft konstruiert dargestellt. Der Vorwurf lautete: Aufgrund eines Konstruktionsfehlers würde der Tank zu leicht entflammen, was bereits vielen Menschen das Leben gekostet hätte. Tatsächlich gab es diesbezügliche Aussagen einiger Sachverständiger und zudem bereits eine wahre Prozeßflut gegen General Motors, die mit diesem Vorwurf legitimiert wurde.

General Motors antwortete auf diesen Bericht - im übrigen erfolgreich - mit einer scharfen Attacke gegen NBC. General Motors konnte nachweisen, daß der Bericht an mehreren Stellen unsauber recherchiert war. Die Gegenargumente von General Motors, die sich auf wissenschaftliche Studien stützen, wurden nicht adäquat berücksichtigt, der Bericht war mehr emotional als rational und dadurch nicht ausgewogen. Außerdem war eine im Fernsehen gezeigte "Demonstration" der leichten Entflammbarkeit des Fahrzeugs von Fernsehleuten gefälscht. NBC mußte eine Entschuldigung verlesen.

Hearit geht, auch unter Berücksichtigung dieses Falles, davon aus, daß der Gegenangriff durchaus eine erfolgreiche Strategie der Krisen-P.R. sein kann. Allerdings warnt er vor übertriebenem Einsatz. Er argumentiert u.a., daß diese Argumentationsstrategie aggressiv ist, was einen negativen Effekt auf das Image des Unternehmens haben könnte. Seiner Meinung nach funktioniert diese Strategie vor allem dann, wenn der Angreifer schwächer ist als der Angegriffene - denn nur dann kann er sich glaubhaft als Opfer stilisieren. Wenn man einen offensichtlich Schwächeren, etwa eine Einzelperson oder ein kleineres Unternehmen damit angreift, würde man möglicherweise als Unterdrücker wahrgenommen. Die Argumente des Gegenangriffes sollten überhaupt plausibel erscheinen. Sich zum Beispiel als Opfer eines übermächtigen Medienkonzerns oder des sensationslüsternen Journalismus darzustellen - wie im vorliegenden Fall geschehen - ist durchaus glaubhaft. Sich als Opfer von, ich weiß nicht, Mutter Theresa darzustellen, wäre lächerlich. Allgemein meint Hearit aber trotz dieser Einschränkung, "that such a strategy when used correctly, can be an important resource in challenging inaccurate and / or misleading media coverage".

1997 veröffentlichte Hearit den Artikel "On the Use of Transcendence as an Apologia Strategy: The Case of Johnson Controls and Its Fetal Protection Policy". Dabei geht es um die Strategie der "Transcendence" in der Krisen-Public Relations. Dies ist der Versuch, sein von Teilen der Öffentlichkeit als schändlich empfundenes Verhalten durch "höhere" moralische Beweggründe zu rechtfertigen. Ein fiktives Beispiel: Eine Firma, der in den Medien vorgeworfen wird, Tierversuche durchzuführen, könnte argumentieren, diese Versuche seien notwendig, um das Leben von Menschen zu retten. Der Beschuldigte gibt also sein Verhalten zu, versucht aber eine andere Definition von Gut und Böse durchzusetzen, als sein Gegner es zugrunde legt.

Hearit untersucht den Fall der Batterie-Abteilung der Firma Johnson. In dieser Abteilung werden große Mengen an Schadstoffen freigesetzt, vor allem große Konzentrationen von Blei. Diese wiederum können allgemein zu Gesundheitsschäden führen. Ein ganz besonderes Risiko besteht aber für die Gesundheit der ungeborenen Kinder von Frauen, die längere Zeit diesen Schadstoffen ausgesetzt waren (obwohl die Firma 15 Mio. Dollar ausgegeben hatte, um die Schadstoffe zu reduzieren). Daher wurde den Mitarbeiterinnen, die noch Kinder wollten, nahegelegt, nicht in der betreffenden Abteilung, sondern in anderen Bereichen der Firma zu arbeiten. Diese gutgemeinte Warnung fruchtete aber kaum; weiterhin wurden viele Geburten von Beschäftigten der Batterie-Abteilung verzeichnet. Daher entschloß sich die Firmenleitung zu einem folgenschweren Schritt: Sie verbot Frauen die Arbeit in dieser Abteilung. Daraufhin wurde sie heftig (auch in den Medien) von feministischen Organisationen attackiert und von Mitarbeiterinnen wegen Diskriminierung verklagt. Die Argumentation der Firma Johnson war nun, um Hearits Terminologie zu übernehmen, "Transzendenz". Es wurde öffentlich argumentiert, man hätte eine Verpflichtung gegenüber dem Leben und der Zukunft der Kinder. Die Firma Johnson verlor den Prozeß und büßte öffentlich Reputation ein.

Die Gründe für das Versagen dieser Kampagne sind nach Hearit vielfältig; sicher liegt es auch daran, daß die feministischen Ansichten schon große Akzeptanz in Medien und Gesellschaft haben und die Firma Johnson mit ihren Vorgaben für manche "patriarchalisch" erschien. Die Firma führte in ihrer Argumentation aber auch ihre eigenen Interessen ins Feld. Das ist nach Hearit falsch, denn: "The results of this essay suggests that corporations that would use this justificatory respose must be in a position (...) to make the claim that the policy is rooted only in a desire to do a social good, and that the outcome of such a position will in no ways serve the interests of the company". Man muß also vollkommen uneigennützig erscheinen. Außerdem betont Hearit, daß man zwar ethisch und sozial besorgt erscheinen sollte - so kann man Sympathien gewinnen - aber auf keinen Fall moralistisch. Wer als Moralist erscheint, der anderen seinen Standpunkt aufzwingen will und dazu noch belehrend wirkt, wird gemeinhin abgelehnt.

Kathy R. Fitzpatrick und Maureen Shubow Rubin veröffentlichten 1995 ihre Arbeit "Public Relations vs. Legal Strategies in Organizational Crisis". Die Grundthese lautet: Organisationen tendieren dazu, bei öffentlichen Anschuldigungen hauptsächlich juristische Strategien zu verwenden und juristisch zu argumentieren, wenn sie sich öffentlich verteidigen. Dabei beachten sie aber Public Relations-Strategien zu wenig, was zu Image-Schäden in der Öffentlichkeit führt - was auf Umwegen wiederum viel Geld kosten kann.

Worin unterscheiden sich juristische Strategien von Public Relations-Strategien - und somit auch die Ratschläge eines Rechtsanwaltes und eines P.R.-Beraters?

Das kann anhand eines einfachen Beispiels erläutert werden: Ein Rechtsanwalt würde den Verantwortlichen einer krisengeschüttelten Firma immer raten, vor dem Ausgang der rechtlichen Verfahren (das können z.B. Prozesse sein, die im Gefolge der Krise gegen die Firma geführt werden), in der Öffentlichkeit nichts zu sagen ("Kein Kommentar!"). Er würde dazu raten, nichts von selbst zuzugeben. Aus seiner Perspektive hat der Jurist auch recht; denn um schwierige Prozesse gewinnen zu können, ist diese Strategie hilfreich.

Ein P.R.-Berater aber würde vielfach genau zum Gegenteil raten. Er würde argumentieren, daß es dem Image des Unternehmen sehr schaden würde, wenn es versucht, Informationen zurückzuhalten. Die Journalisten fangen dann an zu spekulieren, wenn man sie mit "Kein Kommentar" abspeist - und ihre öffentlich kundgetanen Spekulationen sind oft schlimmer als die nackte Wahrheit. Streitet eine Firma eine Handlung zunächst ab, die ihr dann aber doch nachgewiesen wird, zerstört der mißglückte Vertuschungsversuch das ohnehin schon geschädigte Image noch doppelt. Also: Der P.R.-Berater fordert vom Unternehmen schnelle Reaktion und offene Informationspolitik. Aus seiner Perspektive sind diese Ratschläge ebenfalls gerechtfertigt. Gesagt werden muß auch, daß Imageverluste einer Firma oder eines Produktes oft mehr kosten, als so mancher verlorene Prozeß.

Eine Firmenleitung ist also gut beraten, auf beide Seiten zu hören. Nun zeigt sich aber, daß Firmen meistens nur auf kompetente Rechtsberater zurückgreifen und entsprechend häufig rein juristische Strategien wählen, wenn sie gegenüber Medien argumentieren. Dies wiesen Fitzpatrick und Rubin am Beispiel der Analyse der Firmenstrategien bei der Verteidigung gegenüber des Vorwurfes der sexuellen Belästigung nach. Dabei analysierten sie über einen Zeitraum 18 Monate hinweg Zeitungsartikel zu diesem Thema, die sie via Datenbank abriefen. Sie berücksichtigten nur Artikel, aus denen die Verteidigungsstrategie der Firma ersichtlich war.

Dann stellten sie fest, ob die Beschuldigten eine juristische oder eine P.R.-Strategie zur Verteidigung wählten - oder eine Mischform. Ergebnis: 2/3 der Beschuldigten argumentierten rein juristisch. Reine P.R.-Strategien zur Verteidigung wurde von kaum 1/5 gewählt. Die mangelnde Verwendung von P.R.-Strategien beim Krisenmanagement kann Image-Einbußen und somit finanzielle Verluste zur Folge haben; daher sind reine juristische Strategien sowohl kostspielig als auch kurzsichtig.

"Organizational Crisis Experience and Public Relations Roles" heißt der ebenfalls 1995 erschienene Aufsatz von David W. Guth. Durch komplizierteste statistische Erhebungen und Auswertungen, in deren Zuge mehrere hundert P.R.-Fachleute befragt wurden, kam der Autor auf ein wahrhaft erstaunliches Ergebnis, für das sich der Aufwand wahrlich gelohnt hat: Größere Organisationen sind krisenanfälliger als kleine. Ach, tatsächlich? Bevor ich diese Untersuchung gelesen hatte, wußte ich nämlich nicht, daß eine Firma mit hunderttausenden Angestellten, zahllosen Betätigungsfelder von der chemischen Industrie bis zur Immobilienspekulation unter Umständen mehr Krisen erleben könnte als der Ein-Mann-Handwerksbetrieb von Franz Huber in Pasching. Oder daß letzterer vielleicht seltener in landesweit verbreiteten Massenmedien attackiert wird.

Vielleicht hätte der Autor bei noch umständlicherer Datenauswertung - vielleicht mithilfe eines anderen Chi-Quadrat-Tests - auch noch feststellen können, daß P.R.-Berater mit dickeren Bäuchen in der Regel mehr Gewicht haben als solche mit kleineren. Mehr möchte ich zu dieser für jeden Leser unzumutbaren Studie nicht sagen.

1997, im Band 23 (1), erschien James Kauffmans Artikel "NASA in Crisis: The Space Agency's Public Relations Efforts Regarding the Hubble Space Telescope". Dieser Artikel behandelt erneut ein Fallbeispiel zum Thema Krisen - Public Relations, und zwar eines zu einem mißglückten Umganges mit einer Krise. Der Artikel will also wohl ein negatives Wissen vermitteln: So soll man es also nicht machen.

Die Grundthese lautet, daß die NASA ihre Krisen-Kommunikation verbessern sollte. Daß sie eine solche Verbesserung nötig habe, beweist die Art und Weise, wie sie sich den Medien gegenüber verhalten habe, als es zu Problemen mit dem am 24. April 1990 ins Weltall geschossenen Hubble-Teleskop kam. Nach Kauffman wurde die falsche Krisen-Kommunikation schon vorbereitet, bevor die technischen Probleme des Teleskopes überhaupt auftraten: Von der NASA erhielten Öffentlichkeit und Politiker gezielt falsche Informationen, um sie für die Finanzierung des Milliarden-Dollar-Projektes zu gewinnen.

So leitete die NASA an die Öffentlichkeit Informationsmaterial weiter, in welchem behauptet wurde, das Hubble-Telekop könne wesentlich weiter ins All blicken als alle Bodenstationen auf der Erde. Diese Information war allerdings, wie sich später herausstellen sollte, falsch: Das Hubble-Teleskop konnte in Wahrheit zwar nicht weiter sehen, dafür aber genauer. Die Presse wiederholte diese Irrtümer und übertrieb dabei auch noch. So wurden falsche Erwartungen geweckt. Außerdem übertrieben Vertreter der NASA die Wichtigkeit des Projektes für die Geschichte der Raumfahrt, sowohl vor den Medien als auch vor Kongreßabgeordneten, und zwar mit dem Ziel, mehr Geld dafür zu erhalten. So nannte der NASA-Vertreter James Fletcher das Teleskop als "salvation of the world" - es war sicher eine klare Übertreibung, Hubble als Welterlösung zu bezeichnen. Der NASA-Vertreter James Beggs sah im Teleskop das "achte Weltwunder".

So wurden in der Öffentlichkeit übertriebene Erwartungen geweckt, die letztlich nicht erfüllt werden konnten; die Nicht-Erfüllung der zuerst geweckten Erwartungen aber schadeten letztendlich dem Image der NASA. Neben offenkundig falschen gab die NASA aber auch einseitige Informationen weiter: Als das Teleskop der Öffentlichkeit und den Politikern präsentiert wurde, strichen NASA-Beauftragte nur die Fähigkeit des Teleskops heraus, beeindruckende Fotos zu schießen. Daß das Teleskop auch noch andere Fähigkeiten besaß (z.B. konnte es wissenschaftliche Untersuchungen unter Ausnützung des ultravioletten Spektrums durchführen), wurde aufgrund einer Popularisierung der Information verschwiegen. Später sollten aber genau die Kameras des Teleskops gestört sein, man konnte die Bilder nicht liefern. Indem man andere Fähigkeiten des Teleskops verschwieg, verbaute man sich den Ausweg, glaubhaft sagen zu können: Nun ja, die Kameras sind gestört, aber alles andere funktioniert blendend. Das Publikum wurde vor dem Start des Teleskops nur auf seine zu erwartende Bildproduktion hingewiesen - und es wurde so vorbereitet, Erfolg und Mißerfolg des Teleskops nur in Hinblick auf die von ihm gelieferten Bilder zu beurteilen.

Viele Pressekonferenzen der NASA waren auch äußerst schlecht vorbereitet. Es wurden zu manchen Pressekonferenzen Vertreter entsandt, die weder genaue Terminangaben zu dem Projekt machen konnten, noch einfache wissenschaftliche und technische Sachverhalte erklären konnten. Dies machte einen zunehmend schlechten Eindruck auf die Medien.

Die Katastrophe brach über die NASA herein, als sie am 27.Juni 1990 die technischen Probleme des Teleskops zugeben mußte. Die NASA-Vertreter verkündeten zudem, daß die Kameras des Teleskops völlig nutzlos seien, also auch keine Bilder geliefert werden konnten. Die enttäuschte Öffentlichkeit, in der man zuvor übertriebene Erwartungen geweckt hatte, reagierte empört, die Medien starteten eine Berichterstattung, ein negatives Trommelfeuer. Newsweek etwa titelte: "NASA's $ 1.5 Billion Blunder". In fast allen Late-Night-Shows wurde über die NASA gewitzelt, und sogar der erfolgreiche Kino-Film "Nackte Kanone 2 1/2" machte die NASA lächerlich. Der Kongreß reagierte nicht minder empört, veranstaltete pausenlos Untersuchungen und suchte Verantwortliche. Die NASA versuchte nun erfolglos, die Schuld auf andere beteiligte Firmen und Institutionen abzuwälzen, was ihr aber nicht glaubwürdig gelang. Das Image der NASA wandelte sich massiv: Während vor der Krise die meisten Amerikaner die NASA für ein fortschrittliches und effizientes Unternehmen hielten, sahen sie die NASA nun als eine unfähige Organisation, die nichts richtig machen konnte.

Die Schlußpointe dieser Tragikomödie kommt aber noch: Es stellte sich nämlich nach und nach heraus, daß die Kameras gar nicht vollständig funktionsuntüchtig waren. Sie konnten sogar Bilder schießen. Die NASA hatte also wieder eine Falschmeldung veröffentlicht, diesmal aber zu ihrem Nachteil.

Nun versäumte es die NASA aber lange, die Öffentlichkeit von dieser neuen Wendung in Kenntnis zu setzen. Selbst als Bilder des Teleskops bereits vorlagen, erfuhr aus irgendwelchen nicht näher geklärten Gründen die Öffentlichkeit lange nichts davon, so daß das schlechte Image bestehen blieb. Die NASA trug also sehr stark selbst dazu bei, daß diese Krise ausbrach und daß sie eine so katastrophale Auswirkung auf ihr Image hatte. Die Krise war in gewisser Weise hausgemacht.

Die Fehler der NASA waren also zusammengefaßt folgende:

1.) Sie schürte vor dem Projekt falsche, das heißt übertriebene Erwartungen in der Öffentlichkeit, die dann nicht erfüllt werden konnten. Dies wirkte sich negativ auf das Image der NASA aus. Zudem waren die veröffentlichten Informationen nur sehr einseitig.

2.) Viele Pressekonferenzen waren schlecht vorbereitet.

3.) Die NASA verlautbarte vorschnell und fälschlicherweise, daß Hubble keine Bilder anfertigen könne und löste so eine negative Medienkampagne aus. Als Hubbles Bilder aber eintrafen, brachte man dies lange nicht an die Öffentlichkeit.

Diese Fehler sollte nicht nur die NASA vermeiden, sondern auch vergleichbare Organisationen sollten dies tun.

Im Band 23 (2), ebenfalls 1997 veröffentlichte William Benoit, der Professor der Kommunikationswissenschaft an der Universität Missouri ist, einen Artikel mit dem Titel "Image Repair Discourse and Crisis Communication". Dieser Artikel erscheint mir fast als der interessanteste von allen, denn Benoit begnügt sich nicht nur, einzelne Fallbeispiele zu beschreiben, sondern er leitet aus einer ganzen Reihe von Fallbeispielen ein eigenes theoretisches Gebäude der Krisen - Public Relations ab, nämlich die "Image Restoration Theory". Die Theorie besitzt im Prinzip zwei ganz einfache Grundannahmen. So liegt folgendes bei einer öffentlichen Anschuldigung, die das Image einer Firma oder eines Politikers beschädigt, vor:

1.) Der Beschuldigte wird für verantwortlich für das "Vergehen" gehalten.
2.) Die Tat wird als schändlich betrachtet.

Gegenstrategien müssen bewirken, daß die Öffentlichkeit mindestens eine der beiden Annahmen revidiert. (Dabei spielt aber nicht nur eine Rolle, ob der Beschuldigte wirklich schuldig oder die Tat wirklich schändlich ist, sondern vor allem, ob die Öffentlichkeit glaubt, daß es sich so verhält.)

Benoit stellt dazu folgende Typologien der "Image Restoration Strategies" auf, die er aus etwa einem Dutzend Fallbeispielen ableitet:

1.) Leugnen

Simples Leugnen

Simples Leugnen bedeutet einfach: Abstreiten des Vorfalls, so ungefähr wie: "Nein, aus unserer Chemieanlage sind keine Giftstoffe ausgetreten" oder "Ich hatte niemals Sex mit Monica Lewinsky". Diese Strategie sollte man am besten einschlagen, wenn man besagte Handlungen wirklich nicht begangen hat. Wenn sich die Unschuld des in der Öffentlichkeit "Verklagten" herausstellt, kommt es langfristig tatsächlich zu keinen Image-Schäden. Ein aktuelles Beispiel (das Benoit natürlich nicht erwähnt): Der ehemalige Wiener Bürgermeister Helmut Zilk wurde beschuldigt, ein ehemaliger Spion der CSSR gewesen zu sein. Er leugnete dies, seine Unschuld stellte sich später heraus, er dürfte keine langfristigen Image-Schäden erlitten haben. Die Strategie des Leugnens in der Öffentlichkeit hat nur ein Problem: Wenn sich später herausstellt, daß die Anschuldigung doch richtig ist, kann ein Vertuschungsversuch das Image noch zusätzlich ramponieren.

Schuld abschieben

Man erklärt, daß eigentlich jemand anders für den Akt verantwortlich ist. So erklärte ein Sprecher von Exxon nach dem Auslaufen von Öl aus dem Tanker Valdez, daß die örtlichen Behörden und die Küstenwache die eigentliche Schuld trifft, daß es noch kein "cleaning up" gibt, weil die Genehmigung dazu nicht erteilt wurde.

2.) Der Schuld entkommen

Provokation

Man argumentiert, daß der gesetzte Akt einfach eine Antwort auf die Provokation eines anderen war. So könnte z.B. eine Firma argumentieren, die eine Produktionsstätte ins Ausland verlegt, daß dies wegen neuer Gesetze geschehe, die ihre Gewinnspanne vermindern.

Anfechtbarkeit (im Original: "defeasibility")

Wer seine Schuld anfechten will, kann etwa angeben, er hätte den Fehler aus einem Mangel an Information heraus begangen. Dann fällt die Schuld auf den, der die Information nicht weitergegeben hat. So könnte etwa ein Manager sagen, der zu spät zu einer Sitzung kommt: "Niemand hat mir gesagt, daß die Sitzung vorverlegt wurde".

Unfall

Wenn man darauf pocht, daß z.B. ein Produktionsfehler nicht vorsätzlich, sondern einfach "by accident" passierte, sollte das den Image-Schaden in der Öffentlichkeit vermindern. Beispiel: Sears wurde beschuldigt, Kunden bei Autoreparaturen systematisch getäuscht zu haben (mehr repariert als nötig); ein Sprecher meinte dazu, daß die begangenen Fehler eher aus Unachtsamkeit als aus Intention resultieren.

Gute Absichten

Derselbe Sprecher strich auch die guten Absichten hervor, das bei allen Fehlern doch immer vorhanden war: "Sears wants you to know that we would never intentionally violate the trust costumers have shown in our company for 105 years."

3.) Die Anstößigkeit der Tat reduzieren

"Bolstering"

Eine "Polsterung" kann vorliegen, wenn man auf positive Taten in der Vergangenheit hinweist, die den Schaden relativieren. Als der Tanker Valdez unterging, was ein Auslaufen von Öl zur Folge hatte, betonte der Sprecher der Firma Exxon, man habe in der Vergangenheit bereits viel getan, um die Umweltschädlichkeit besagten Öls zu reduzieren.

Minimieren

Bei dieser Strategie wird eine schändliche Handlung zwar zugegeben, ihr negativer Effekt aber heruntergespielt. Als Beispiel kann wieder die Strategie von Exxon beim Untergang der Valdez dienen. Der Sprecher von Exxon meinte, daß die von den Medien angegebenen Zahlen von toten Seevögeln übertrieben seien; statt zehntausenden toten Seevögeln wären es laut Nachforschungen von Exxon nur 300 gewesen. Diese Strategie bewirkt, daß die von der Firma begangenen Fehler weniger anstößig erscheinen.

Differenzieren

Das eingeschlagene Verhalten wird deutlich abgesetzt von anderem, schändlicheren Verhalten. Die Handlung wird zwar zugegeben, aber man interpretiert sie anders (positiver) als es die Anschuldiger tun. Als Beispiel soll wieder Sears dienen. Ein Sprecher meinte, die (scheinbar) überflüssigen Reparaturen seien in Wahrheit vorbeugende Maßnahmen. Sie hätten mit vorsätzlichen Täuschungen nichts zu tun.

Transzendenz

Man beruft sich auf "höhere" Beweggründe, die das scheinbar anstößige Verhalten rechtfertigen sollen. Beispiel: Wird eine Firma wegen der Durchführung von Tierversuchen angegriffen, soll sie darauf hinweisen, daß durch die Versuche Menschenleben gerettet werden.

Anschuldiger angreifen

Wird man beschuldigt, empfiehlt es sich oft, zum Gegenangriff überzugehen. Man soll versuchen, die Glaubwürdigkeit dessen, der den Angriff startet, herabzusetzen.

Kompensation

Man entschädigt alle, die Schaden von dem Vorfall hatten. Dadurch bekundet man vor der Öffentlichkeit den Willen, den Schaden wiedergutzumachen.

4.) Korrektive Handlung

Die Öffentlichkeit ist eher bereit, einen Vorfall zu verzeihen, wenn z.B. das betroffene Unternehmen Pläne präsentiert, wie die aufgetretenen Probleme zu beseitigen sind und wie auch zukünftige Probleme dieser Art verhindert werden können.

5.) Demütigung

Die einfachste Art, beim Publikum imagemäßig zu punkten, ist: glaubhaft um Verzeihung bitten. Diese Strategie ist wirkungsvoll. Juristen raten allerdings oft davon ab, weil Schadensersatzklagen quasi herausgefordert werden. Ein Sprecher von AT&T zum Beispiel entschuldigte sich bei den Kunden für den Umstand, daß Fehler im Telefonnetz aufgetreten sind, mit den Worten: "I apologize to all of you who were affected, directly or indirectly". Präsident Clinton griff im Zuge der Lewinsky-Affäre auch oftmals - und erfolgreich - auf diese Strategie zurück.

Literatur

Alle zitierten Artikel stammen, wie in der Arbeit besprochen, aus der Zeitschrift "Public Relations Review".

1988

Martha Saunders, Eastern's Employee Communication Crisis: A Case Study, Public Relations Review, 14 (2): 33-44.

John A. Kaufman, Rockwell Fails In Response To Shuttle Disaster, Public Relations Review, 14 (4): 8-17.

1991

Dieses Jahr war ganz besonders ergiebig, weil im Frühling 1991, Band 17 (1), ein Sonderheft zum Thema "Crisis Management" erschienen ist.

William J. Small, Exxon Valdez: How to Spend Billions and Still Get a Black Eye, Public Relations Review, 17 (1): 9-25.

Samuel Coad Dyer, Jr., M. Mark Miller and Jeff Boone, Wire Service Coverage of the Exxon Valdez Crisis, Public Relations Review, 17 (1): 27-36.

Marion K. Pinsdorf, Flying Different Skies: How Cultures Respond to Airline Disasters, Public Relations Review, 17 (1): 37-56.

Falguni Sen and William G. Egelhoff, Six Years and Counting: Learning from Crisis Management at Bhopal, Public Relations Review, 17 (1): 69-83.

1992

David Stiles Shipley, Sacrifice, Victimization and Mismanagement of Issues: LBJ's Vietnam Crisis, Public Relations Review, 18 (3): 275-286

1994

David E. Williams and Bolanle A. Olanniran, Exxon's Decision-Making Flaws: The Hypervigliant Response to the Valdez Grounding. Public Relations Review, 20 (1): 5-18.

Keith Michael Hearit, Apologies and Public Relations Crises at Chrysler, Toshiba an Volvo, Public Relations Review, 20 (2): 113-125.

1995

Kathy R. Fitzpatrick and Maureen and Maureen Shubow Rubin, Public Relations vs. Legal Strategies in Organizational Crisis Decisions, Public Relations Review, 21 (1): 21-33.

David W. Guth, Organizational Crisis Experience and Public Relations Roles, Public Relations Review, 21 (2): 123-136.

1996

Keith Michael Hearit, The Use of Counter-Attack in Apologetic Public Relations Crises: The Case of General Motors vs. Dateline NBC, Public Relations Review, 22 (3): 233-248.

1997

James Kauffman, NASA in Crisis: The Space Agency's Public Relations Efforts Regarding the Hubble Space Telescope, Public Relations Review, 23 (1):1-10.

Keith Michael Hearit, On The Use Of Transcendence as an Apologia Strategy: The Case of Johnson Controls and Its Fetal Protection Policy, Public Relations Review, 23 (3): 217-231.

William L. Benoit, Image Repair Discourse and Crisis Communication, Public Relations Review 23 (2): 177-186.

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