Schriftliche Zusammenfassung des Referates vom 16.5.1998 aus dem
Proseminar: "Ausgewählte Schwerpunkte der Entwicklungspsychologie II"
Sommersemester 1998
Universität Wien
In der heutigen Zeit ist das Fernsehen längst zu einer Hauptbeschäftigung des Kindes geworden. Seine erste Fernseherfahrung sammelt das durchschnittliche Kind mit etwa drei Jahren, wobei die Fernsehdauer bei durchschnittlich ca. einer Stunde beginnt und sich im Laufe der Volksschule auf mehr als drei Stunden steigert. Man sieht also, welch wichtige Position das Fernsehen im Leben eines Kindes einnimmt. Daher ist es gerechtfertigt, ja unumgänglich, im Rahmen der Entwicklungspsychologie die Auswirkung des Fernsehens auf die kindliche Psyche zu thematisieren.
1.) Warum fernsehen Kinder?
Wissenschaftliche Untersuchungen berichten einhellig, daß Kinder gerne fernsehen. Die Gründe dafür sind im wesentlichen folgende:
Im Fernsehen werden Auge und Ohr angesprochen. Dieser Umstand macht das Medium Fernsehen attraktiv und glaubwürdig; es ist ein Vorteil, den die meisten anderen Medien nicht aufbieten können.
Das Fernsehen zeigt bunte Bilder mit schnellem Wechsel. Das verschafft dem Seher "Augenkitzel" und Abwechslung.
Die Fernsehsendungen werden von guter Musik begleitet.
Kinder lieben es genauso wie Erwachsene, unterhalten zu werden. "Unterhaltung" muß nicht immer lustig sein: Es gibt auch spannende, traurige etc. Sendungen, die "unterhalten". Unterhaltung meint primär ein Spiel mit den Gefühlen; und das liefert das Fernsehen.
Das Fernsehen gibt den Kindern Gesprächsstoff.
Insbesonders Kinder haben das Bedürfnis, sich in der Welt zu orientieren. Das Fernsehen liefert ihnen dazu Informationen.
Das Fernsehen bietet Kindern Identifikationsmöglichkeiten.
Nicht zuletzt ist Fernsehen heutzutage leicht verfügbar. Es ist praktisch unmöglich, in unserem Kulturkreis heranzuwachsen, ohne mit dem allgegenwärtigen Fernsehen konfrontiert zu werden. Es gibt fast keinen Haushalt, der nicht über einen Fernseher verfügt.
Fragt man Kinder, warum sie fernsehen, entgegnen sie oft sinngemäß, daß sie der Trostlosigkeit, der Langeweile oder den Schwierigkeiten des Alltags entkommen wollen; das Fernsehen würden sie nützen, um in eine andere Welt einzutauchen. Mit dem Fachwort nennt man diese Tendenz, dem Alltag entkommen zu wollen, Eskapismus.
Für einsame Kinder, die im sozialen Bereich Schwierigkeiten haben, bietet das Fernsehen Pseudo-Sozialkontakte. Das bedeutet, daß das Kind die Illusion bekommt, daß sich jemand mit ihm beschäftigt. Oft entwickeln einsame Kinder zu Fernsehfiguren soziale Beziehungen. In der Einsamkeit kann ein Grund für häufiges Fernsehen liegen.
Es gibt aber noch einen weiteren wichtigen Grund, warum Kinder fernsehen: Kindliches Fernsehen wird oft von den Eltern gefördert, weil diese immer weniger Zeit für das Kind haben bzw. sich immer weniger Zeit nehmen. In vielen Familien fungiert das Fernsehen als Elternersatz oder Babysitter.
2.) Gefahren durch das Fernsehen
a.) Beschreibung möglicher Gefahren
Zunächst gibt es medizinische Bedenken v.a. bei Vielsehern. Vielsehende Kinder, also Kinder, die überdurchschnittlich lange fernsehen, klagen verstärkt über Kopfweh und Augenflimmern. Außerdem muß man den Bewegungsmangel und daraus resultierende Probleme wie z.B. Übergewicht berücksichtigen. Wenn ein Kind nämlich den ganzen Tag vor dem Fernseher sitzt, wird es entsprechend weniger ins Freie kommen und sich auch weniger häufig körperlich betätigen.
In Extremfällen - die aber nur sehr selten sind - kann es zu einem Realitätsverlust kommen.
Fernsehen kann die Isolation eines Kindes von Gleichaltrigen oder Familienmitgliedern auslösen oder verstärken.
Beim "Elternersatz Fernsehen" kann es unter anderem zu einer Verwahrlosung der Kinder kommen. Es ist sehr fraglich, ob das Fernsehen elterliche Zuwendung nur annähernd ersetzen kann bzw. soll.
Ein gleichsam aktuelles wie zeitloses Thema, das besorgte Eltern und Psychologen immer wieder anführen ist die Gewalt im Fernsehen. Es lohnt sich, diese Gefahr ausführlicher zu thematisieren.
Exkurs: Gewalt im Fernsehen
Ein amerikanisches Kind von zwölf Jahren hat in seinem Leben ca. 250.000 Gewaltdarstellungen und ca. 14.000 Fernsehtote gesehen. Diese Zahlen sind äußerst bedenklich. Wer glaubt, nur das Erwachsenenprogramm würde Gewaltdarstellungen enthalten, irrt. Untersuchungen weisen darauf hin, daß 92% der amerikanischen Kindersendungen des Wochenendes Gewaltdarstellungen beinhalten, und zwar mit dem relativ hohen Schnitt von 17 pro Stunde. In Europa sind diese Zahlen zwar etwas niedriger, sind aber trotzdem in einer ähnlichen Höhe anzusiedeln.
Die häufigen Gewaltdarstellungen in Fernsehen sind erklärbar vor allem durch das Buhlen der Fernsehsender um Einschaltquoten. Mit Gewaltdarstellungen läßt sich in relativ kurzer Zeit Spannung erzeugen. Solche Spannungshöhepunkte binden das Publikum und sind ideal für Werbeunterbrechungen. Die Zuseher sind aufmerksam und so für Werbung besser empfänglich, außerdem bleiben sie verstärkt auf demselben Kanal, um die Fortsetzung zu sehen.
Schaden die häufigen Gewaltdarstellungen im Fernsehen nun den Kindern? Zu dieser Frage gibt es zahlreiche Untersuchungen und etwa ein Dutzend Thesen. Ich erlaube mir, nur die drei meiner Ansicht nach wichtigsten an dieser Stelle anzuführen:
Katharsisthese
Diese These geht eigentlich auf die philosophischen Schriften des Aristoteles zurück, es gibt für sie aber auch moderne Vertreter. Die alten Griechen waren Liebhaber des Theaters und sahen oft Tragödien. In vielen dieser Tragödien wurden auch Schändlichkeiten gezeigt, z.B. die Taten des Ödipus, der seinen Vater tötet und mit seiner Mutter schläft. Aristoteles war der Meinung, daß die Menschen, die diese Tragödie verfolgten, ihre eigene Schlechtigkeit eben durch die Betrachtung gleichsam abreagierten und so eine Katharsis (Läuterung) entstünde. Auf die heutige Zeit übertragen bedeutet dies, daß Kinder, die viel Gewalt im Fernsehen betrachten, ihren eigenen Aggressionstrieb dabei sogar abreagieren würden. Die Katharsisthese würde also sogar einen positiven Effekt der Gewalt im Fernsehen auf die Kinder annehmen.
These von der Wirkungslosigkeit
Die These von der Wirkungslosigkeit hat vor allem in Laienkreisen viele Anhänger. Sie besagt, daß Gewalt keinen wie immer gearteten Effekt auf Kinder hat, weder im positiven oder negativen Sinn bzw. zumindest keiner bewiesen werden kann. So sei es egal, ob Kindern Gewalt im Fernsehen gezeigt wird oder nicht.
Imitationsthese
Diese These begründet die Sorge vieler Eltern und Psychologen. Sie stützt sich weitgehend auf die Theorien von Bandura. Dieser meinte, die Nachahmung wäre zentral für das menschliche Lernen. Die Imitationsthese besagt, daß Kinder tendentiell die im Fernsehen gezeigte Gewalt nachahmen und so durch das Fernsehen gewaltbereiter werden.
Es ist nicht möglich, eine dieser genannten Thesen letztendlich zu beweisen - vor allem aus methodischen Überlegungen. Prüft man den Einfluß des Fernsehens auf die Gewaltbereitschaft im Laborexperiment, erhält man Ergebnisse mit hoher interner Validität, das heißt, die Meßwerte sind äußerst präzise. Tatsächlich läßt sich unter Laborbedingungen eine Steigerung der Gewaltbereitschaft feststellen. Diese Ergebnisse haben aber eine sehr geringe externe Validität, das heißt, auf das Alltagsleben sind nur schwer bis gar nicht übertragbar. Feldstudien sind aber auch unzuverlässig wegen der zahllosen Störvariablen. Natürlich kann man die Aggression in Familien beobachten, wenn sie nicht fernsehen und wenn sie fernsehen und beide Male die auftretende Aggression vergleichen. Aber was sagt uns dann das Ergebnis der Untersuchung? Was, wenn es nun tatsächlich zu einer Steigerung der Aggression bei häufigem Fernsehen kommt? Ist diese Aggressionssteigerung dann wirklich durch das Fernsehen bedingt - oder vielleicht durch zufällig in derselben Zeit auftretende Probleme in Schule oder Beruf? Eventuelle Ergebnisse sind also leicht anfechtbar.
Trotzdem meine ich, daß es einige Indizien gibt, die Imitationsthese am plausibelsten erscheinen lassen.
So stimmt vor allem sehr bedenklich, daß sich in den letzten Jahren Gewaltverbrechen von unerhörter Grausamkeit häufen, die von Kindern und Jugendlichen begangen wurden. In vielen Fällen konnte nachgewiesen werden, daß die Taten den Gewaltszenen des Fernsehens nachgeahmt wurden.
Ein aufsehenerregender Fall diesbezüglich ereignete sich im Jahre 1993 in England (Fall "Bulger"); zwei zehnjährige Knaben entführten ohne greifbares Motiv ein zweijähriges Kind und trampelten es zu Tode. Einfach so. Sie hatten zuvor ein Video mit dem Titel "Child's Play" gesehen, ein Horrorfilm, in dem eine kleine Puppe - die dem zweijährigen Opfer ähnelte - von einem bösen Dämon besessen war und daher umgebracht wurde.
Ein anderer Fall ereignete sich erst letzten März: Das Massaker von Jonesboro. In dieser U.S.-amerikanischen Kleinstadt wurde eine Bluttat von unerhörter Grausamkeit verübt, die die Weltöffentlichkeit erschütterte: Zwei Schüler, der elfjährige Andrew Golden und der dreizehnjährige Mitchell Johnson, lösten an ihrer Schule einen falschen Feueralarm aus. Auf die ins Freie strömenden Schüler und Lehrer eröffneten sie gezielt das Feuer, ihre Opfer waren vor allem weiblichen Geschlechts. Eine Lehrerin und vier kleine Mädchen kamen bei dem Massaker ums Leben. Obwohl einige andere Motive angegeben wurden (Liebeskummer) diente doch Gewalt im Fernsehen wiederum als Vorbild der Tat.
Gewiß, es handelt sich bei den beschriebenen Verbrechen immer noch um Einzelfälle. Trotzdem häufen sich solche und ähnliche Taten in letzter Zeit auffällig. Zweifellos wird auch durch das Fernsehen nicht aus jedem Kind gleich ein Mörder. Aufgrund dieser Indizien ist die Furcht aber doch mehr als berechtigt, daß die Schwelle zur Gewaltbereitschaft bei Kindern und Jugendlichen durch das Fernsehen herabgesetzt werden kann oder die vom Fernsehen glorifizierten Verbrechen Vorbildcharakter haben können. Verliert man nicht die Hemmung vor dem Töten, wenn der Mord durch das Fernsehen alltäglich wird? Verliert man nicht die Achtung vor dem Menschenleben, wenn man von Kindheit an jeden Tag das regelrechte Abschlachten von Menschenmassen als normale Handlung präsentiert bekommt?
Zwei Aspekte stimmen ebenfalls sehr bedenklich:
Gewalt im Fernsehen wird fast immer als positive Problemlösungsstrategie dargestellt. Sowohl die "Guten" als auch die "Bösen" setzen Gewalt ein, um ihre Probleme zu lösen; wer die Gewalt besser einsetzt, gewinnt und wird belohnt. Sollte den Kindern nicht eher vermittelt werden, daß auch friedliches Verhalten zum Ziel führen kann und Gewalt eher vermieden werden sollte?
Die Masse wird durch das Fernsehen mit blutiger Gewalt unterhalten, ähnlich wie einst der römische Stadtpöbel mit brutalen Zirkusspielen. Aber ist denn Gewalt so lustig? Wer diese Frage bejaht, ist wohl noch nie von einem Maschinengewehr niedergeschossen, einer Handgranate zerfetzt oder einem Panzer überrollt worden.
Aus all dem Gesagten geht die Forderung hervor, daß das Fernsehen, aber insbesonders Kindersendungen, Gewalt eher vermeiden sollten. In der Realität wird der Gewaltanteil im Fernsehprogramm in Zukunft aber eher noch zunehmen.
b.) Verringerung der Gefahren für Kinder
In der Fachliteratur wird immer wieder betont, daß Eltern einen wichtigen Betrag leisten können, die durch das Fernsehen verursachten Gefahren für das Kind zu verringern. Zunächst sollten Eltern mit ihren Sprößlingen, vor allem wenn es sich um Klein- oder Volksschulkinder handelt, das Fernsehprogramm gemeinsam aussuchen. Ferner wäre es von Vorteil, wenn Eltern mit ihren Kindern gemeinsam fernsehen würden. Optimal wäre zudem, wenn die Eltern den gesehenen Inhalt mit den Kindern noch besprechen würden.
Die Begründung dieser Forderungen lautet folgendermaßen: Alleine durch ihre Anwesenheit und Aufsicht greifen Eltern regulierend ein. Sieht ein Kind z.B. einen gar zu grausamen Film und die Mutter sitzt dabei, wird sie wohl reagieren und die Sendung abstellen. Aber dem Kind kann durch das Mitwirken der Eltern auch ein sinnvoller Umgang mit dem Medium Fernsehen gelernt werden.
Im Gegensatz zu einem weitverbreiteten Vorurteil ist nämlich Fernsehen nicht etwas, das man von selbst kann. Auch sinnvolles Fernsehen will gelernt sein, u.a. in Hinblick auf die Zeiteinteilung. Kinder benötigen zum sinnvollen Fernsehen aber auch ein Vorwissen, daß sie nicht von selbst haben: Die Unterscheidung zwischen Realität und Fernsehwelt. Ein dreijähriges Kind weiß noch nicht, daß das, was im Fernsehen zu sehen ist, nicht unbedingt der Wirklichkeit entspricht. Aufgrund dieses Mangels können Fehleinschätzungen oder Ängste entstehen. Ich kann mich z.B. noch lebhaft erinnern, mich als kleines Kind vor einer Zeichentrickfigur gefürchtet zu haben, die man "die böse Mora" nannte. Die böse Mora war eine Art Nilpferd mit tückischen Augen, um die herum alles zu Eis erstarrte. Woher soll denn ein kleines Kind wissen, daß es so ein Wesen nicht wirklich gibt, wo es dieses doch mit eigenen Augen gesehen hat? Eltern sollten an dieser Stelle eingreifen und das Kind darüber aufklären, daß es die Dinge, die im Fernsehen gezeigt werden, oftmals gar nicht gibt.
Bedauerlicherweise muß aber an dieser Stelle angemerkt werden, daß die hier angeführten wünschenswerten Forderungen heutzutage nicht annähernd erfüllt sind, vor allem, weil sich die Eltern immer weniger um ihre Kinder kümmern. Insbesonders das Fernsehverhalten der Kinder regulieren die Eltern in der Regel kaum.
3.) Zur Gestaltung von Kinder-TV
Im folgenden sollen einige Richtlinien für die psychologisch wünschenswerte Gestaltung von Kinderfernsehen angeführt werden.
Untersuchungen an vier- und fünfjährigen Kindern haben ergeben, daß diese große Schwierigkeiten dabei haben, einen Zusammenhang zwischen Anfang, Mitte und Ende einer Fernsehsendung herzustellen. Der Grund dafür ist, daß Kinder sehr in der Gegenwart aufgehen. Es fällt ihnen schwer, einer Sendung zu folgen und sie nachzuerzählen. Meist erinnern sie sich nur an einzelne Episoden. Um die Sendungen für Kinder überhaupt verständlich zu machen, sind einige Maßnahmen notwendig:
Die Handlung von Kindersendungen sollte einfach sein.
Es sollte keine verwirrenden Nebenhandlungen geben.
Die Dialoge zwischen den Akteuren sollten ebenfalls einfach gestaltet sein, wohl aber sprachlich richtig.
Es sollte klar umrissene, einfache Charaktere geben.
Einfachheit heißt also das oberste Gebot. Ferner sollte berücksichtigt werden:
Rückblenden bleiben einem kleinen Kind unverständlich. Unbegreiflich für das Kind ist auch die erneute Erzählung derselben Handlung aus einer anderen Perspektive. Kinder haben nämlich Schwierigkeiten, Erzählebenen zu wechseln oder sich in andere Perspektiven zu versetzen.
Kindersendungen sollten gewisse statische Bildelemente enthalten. Die Bildwechsel sollten nicht zu schnell sein, weil es sonst zu einer sogenannten "Reizüberflutung" kommen kann. Das Kind kann dann die Menge der dargebotenen Information (oder besser: Pseudoinformation) nicht mehr verarbeiten. Psychische Schäden können die Folge sein.
Kinder haben Schwierigkeiten mit der Wahrnehmung des dreidimensionalen Raumes. Kindersendungen sollten das berücksichtigen.
Kinder haben kein Verständnis für Ironie und Satire.
Kindersendungen sollten, wie oben besprochen, Gewalt vermeiden.
Kindersendungen sollten gewisse pädagogische Aufgaben erfüllen, das Kind sollte also etwas lernen - und zwar etwas, von dem es profitieren kann. Zum Beispiel: "Lauf vor Problemen nicht davon, sondern stelle dich ihnen!", "Geh nicht mit Fremden mit!" etc.
Exkurs: Ein positives Beispiel - Die Sendung "Barbapapa"
Bei der Suche nach einem positiven Beispiel einer Kindersendung im Zuge meiner Referatsvorbereitung hatte ich einige Schwierigkeiten. Denn im gegenwärtigen Kinderprogramm sind positive Beispiele rar gesäet. Es gibt momentan wahrscheinlich hunderte Kindersendungen, die keinen einzigen der oben angeführten Punkte erfüllen, oder höchstens einen oder zwei. Vor allem Kinder-RTL bietet meiner Meinung nach äußerst schlechte, teilweise sogar sehr bedenkliche Sendungen an. Nach langer Suche fand ich aber auf einem kaum gesehen Sender zu einer sehr ungünstigen Sendezeit eine sehr gut gestaltete Sendung mit dem Titel "Barbapapa".
Im Zentrum dieser Sendung stehen sehr lustig gezeichnete Wesen sui generis, die Barbas, die einem bunten, wabbernden Klumpen mit Augen, Mund und Händen ähneln. Die Barbas sind eine große, harmonische Familie, wie es sie heutzutage leider kaum noch gibt: Es gibt einen "Barbapapa", den Vater, nach dem die ganze Sendung auch benannt ist, seine Frau, die "Barbamama" und einen großen Haufen Kinder, Jungen wie Mädchen. Die beiden Eltern sind hauptsächlich liebevoll und fürsorgend dargestellt. Jedes Kind hat eine eigene Farbe und einen eigenen Charakter (Barbarix zum Beispiel ist knallgelb und kümmert sich gern um Tiere und Pflanzen). Barbapapa ist übrigens schweinchenrosa.
Das hervorstechende Kennzeichen der Barbas besteht darin, sich beliebig verformen und verwandeln zu können, und zwar mit den seltsam klingenden Zauberworten "Ra, Gu, Rick - Barbatrick".
Die Handlung einer Folge soll exemplarisch beschrieben werden:
Barbarix ist ein großer Tier- und Pflanzenfreund. Er arbeitet daher gerade draußen im Garten, gießt dort seine Pflanzen und füttert die Tiere. Das tut er einige Zeit, doch plötzlich kommt eine große Armee böser Insekten, die die Blätter seines Zitronenbaumes aufessen. Barbarix verwandelt sich in einen Zitronenbaum und lockt die Käfer so von seinem Baum weg. Doch die Käfer kommen ein zweites Mal und nisten sich wieder im Zitronenbaum ein. Barbarix wird ganz traurig. Dann kommt Barbapapa, dem Barbarix seinen Kummer erzählt. Dieser weiß Rat. Er holt ein Insektenschutzmitel, sprüht den Baum ein und die Käfer laufen davon. Barbarix ist glücklich. Als sein Papa weg ist, beschließt er, eine Zitrone zu essen. Das tut er und ihm wird ganz schlecht davon. Das äußert sich beim normalerweise gelben Barabrix so, daß er ganz grün wird. Dann kommt wieder Papa. Er zeigt Barbarix, daß man das Obst waschen muß, bevor man es ißt. Barbarix geht es bald wieder besser, er wäscht eine Zitrone und ißt sie. Dabei erinnert er die Kinder nochmals daran, stets das Obst zu waschen, bevor man es ißt.
Positiv an dieser Sendung ist vieles. Die Handlung ist einfach, ebenso die Dialoge und Charaktere. Es macht einem kleinen Kind keine Schwierigkeiten, der Handlung zu folgen. Es gibt eine gute Musik. Die Bilder wechseln nicht sehr schnell, sodaß sicher keine Reizüberflutung entsteht. Die Sendung ist lustig gezeichnet, verzichtet weitgehend auf 3D und ferner vollständig auf Gewalt. Vielmehr sind die Barbas allesamt höflich, freundlich, hilfsbereit und lieb zueinander. In der obigen Sendung wird auch Tier- und Pflanzenliebe als erstrebenswert dargestellt. Und das Kind lernt auf lustige Weise etwas dabei: Einerseits, daß es oft nötig ist, Pflanzen zu spritzen, andererseits, daß es darum wiederum nötig ist, das Obst auch zu waschen, bevor man es ißt. Auch pädagogisch ist die Sendung daher wertvoll.
4.) Kinder und Fernsehwerbung
Dieses letzte Kapitel möchte ich an dieser Stelle nur kurz anreißen, es können nicht alle Aspekte behandelt werden.
Die Zahl der Kinder wird in unserem Kulturkreis immer geringer. Dafür gibt es mehrere Gründe: Einerseits die besseren Verhütungsmittel, andererseits der verstärkte Wunsch der Eltern, mehr Zeit und Geld für sich selbst - und nicht für Kinder - verwenden zu können. Dazu kommt noch die verstärkte Berufstätigkeit der Frau, die eine große Beanspruchung im Familienleben oft nicht mehr zuläßt.
Trotz der Tatsache, daß die Kinderzahl sinkt und unsere Bevölkerung überaltet, wächst der Markt für Kinder und die Summen, die für Kinder ausgegeben werden, explodieren. Diese beiden Entwicklungen stehen nur vordergründig im Widerspruch zueinander. Dieser löst sich auf, wenn man bedenkt, daß die wenigen Kinder, die es noch gibt, oft Wunschkinder sind, daher die Eltern auch, wenn sie Kinder haben, mehr bereit sind, Geld für sie auszugeben.
Mit Kindern kann die Wirtschaft also mehr Geld machen denn je, vor allem durch den Verkauf von Süßigkeiten, Spielen aller Art und teilweise auch Nahrungsmitteln.
Aus diesem Grund hat auch die Fernsehwerbung das Kind als Zielpublikum entdeckt. Früher wandten sich Werbeeinschaltungen im Fernsehen eher noch an die Eltern, so nach dem Motto: "Wenn Sie das Beste für Ihr Kind wollen, dann kaufen sie dies oder das..."
Heute wendet sich ein Großteil der Werbung direkt an Kinder, mit dem Effekt, daß ein amerikanisches Kind jährlich etwa 20.000 Werbespots sieht. Die Zahlen in Europa sind fast ebenso hoch.
Kinder lieben vor allem Spots mit viel Bewegung und Action, guter Musik und einer einfach zu merkenden Geschichte.
Werbung wirkt, ganz besonders bei Kindern. Dafür sprechen zahlreiche Indizien:
Ein überwiegender Anteil der Dreijährigen kann mindestens einen Werbejingle singen.
Mit zunehmendem Alter nimmt die Kenntnis der Werbung zu.
71% der österreichischen Mütter sagen: Kinder reden oft über den Inhalt der Werbung - meist von sich aus.
61% der österreichischen Mütter sagen: Kinder sehen der Werbung interessiert zu.
Vielsehende Kinder haben nachweislich mehr Wünsche.
Vielbeworbende Produkte werden in der Regel häufiger gewünscht.
Kritische Fragen zu diesem Thema könnten lauten: Werden unsere Kinder nicht zum totalen Konsum erzogen? Werden aus unseren Kindern auf diese Art nicht ständig fordernde Materialisten, die nicht genug bekommen können und ihre Eltern tyrannisieren, wenn ihnen nicht alles gekauft wird?
Zum Glück gibt es hinsichtlich Kinderwerbung Schutzbestimmungen; dies sind meist Selbstbeschränkungen der TV-Betreiber. Es dürfen z.B. keine direkten Kaufanforderungen an Kinder ergehen, auch darf das Kind nicht als minderwertig dargestellt werden, wenn es das Produkt nicht besitzt. Meistens, aber nicht immer, werden die Beschränkungen eingehalten.
Literatur:
Johanna-Sophia ASTECKER: Kind und Fernsehen. Diplomarbeit, Wien 1989.
Manfred WINTER: Kind-Familie-Fernsehwerbung. Die Effekte der Fernsehwerbung auf die Position des Kindes beim Kaufentscheidungsprozeß in der Familie. Dissertation, Wien 1983.
Roland BURKART: Kommunikationswissenschaft. Grundlagen und Problemfelder. Wien u.a. 2.Auflage 1995. S.321ff. (Kapitel Fernsehen und Gewalt)
Als Basis des Referats diente ferner eine Folge der Sendung "Barbapapa" (Kinderkanal bzw. arte, 10.5.98, 6.00).
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Patrick Horvath: "Über Philosophie und Politik"
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© 1998 Patrick Horvath