>Werner Horvath: "Apollon"
Der berühmte Philosoph Friedrich Nietzsche erkannte in seinem Frühwerk die innere Gespaltenheit des griechischen Denkens in zwei Wesenszüge, die er nach den griechischen Kunstgottheiten das "Apollinische" und das "Dionysische" nannte. Diese fundamentale Erkenntnis ist prägend für die heutige Sichtweise des Griechentums.
Das Apollinische stellt das maßvolle und ruhige, aber streng begrenzte Element des griechischen Denkens dar, wohingegen das Dionysische eine rauschhafte, pantheistisch übergreifende Regung ist, die alle Fesseln zerreißen will, um frei und zügellos in der Gesamtheit des Kosmos aufgehen zu können.
Die Arbeit geht von der neuen, aber plausiblen Annahme aus, daß diese beiden Elemente auch das politische Denken der Hellenen bestimmte. Tatsächlich war dieses hin- und hergerissen zwischen Abschottung und Entgrenzung. So war die Welt der alten Griechen einerseits eng begrenzt, was sich in der damals typischen Staatsform, der Polis äußerte. Die typische Polis war nur zwischen 50 und 100 qkm groß und umfaßte zwischen 600 und 1200 Einwohner, hatte aber trotz ihrer Kleinheit eine eigene Außenpolitik und Verfassung. Diese Abschottung zeigt das Apollinischem im politischen Denken der Griechen.
Im Gegensatz dazu fühlten sich die Hellenen einem umfassenden Kulturkreis zugehörig, wovon gemeinsame Heiligtümer oder Bräuche zeugen. Dies verdeutlicht das übergreifende dionysische Element des politischen Denkens. Das apollinische und das dionysische Moment existierten zur gleichen Zeit nebeneinander.
In einem historischen Überblick wird in der Arbeit gezeigt, wann der Wunsch nach Abschottung und wann der Wunsch nach Zusammenschlüssen in der griechischen Politik überhandnahm. Der Schluß, daß die Vereinigung mehrerer Staaten und damit das Dionysische im politischen Denken der Hellenen am erfolgreichsten war, wird gezogen.
Abschließend weist die Arbeit auf Parallelen zum politischen Denken der Gegenwart und der Geschichte Europas in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhundert hin. Auch hier wechselten das Apollinische und das Dionysische einander ab, was durch Beispiele verdeutlich wird. Die Arbeit beinhaltet eine Wertschätzung eines über die Staatsgrenzen hinausgreifenden Einheitsgefühls zu einem größeren Kulturkreis und entsprechenden politischen Zusammenschlüssen.
In his early works, the famous philosopher Friedrich Nietzsche realized the two contrary elements of Greek thought, which he called the "Apollinic" and the "Dionysic" after the two Greek godnesses of art. This thesis is fundamental to our contemporary view of the Greek culture.
The term "Apollinic" means the moderate and calm, but also the strictly limiting element of Greek thought, whereas "Dionysic" names its unbridled Counterpart, which makes the human strive to overcome strict limits, borders and rules.
My treatise starts from the new, but distinct thesis, that both elements also formed the Hellenic political thought. And indeed it was split between the wish to create borders and the wish to overcome them. For instance the typical Greek polis had an area between 50 to 100 square-kilometres and a population of about 1000, but nevertheless it provided independent foreign policies and a constitution. This isolation shows the apollinic element of Greek political thought.
But the dionysic element was essential at the same time; this shows the existance of common Hellenic holy places and customes. Every Greek felt part of a common culture despite of the wish for isolation.
The treatise shows in a historical survey, at which times were dominated by the dionisic or apollinic element of thought. The conclusion, that a union of several states was the most succesful way in solving political problems was drawn.
Finally, the treatise shows up parallels with the contemprary political thought and the history of Europe in the second half of the twentieth century. In it a shift from the Apollinic to the Dionysic can be realized; examples are made in my work. The treatise contains an appreciation of a feeling feeling of union, which reaches over the borders of a single state.
Patrick Horvath: "Über Philosophie und Politik"
Kontakt
© 1996 Patrick Horvath