Große Denker:
Thomas Hobbes
Vater der Demokratie wider Willen
Werner Horvath: "Thomas Hobbes: HOMO HOMINI LUPUS". Buntstifte auf Papier, 32 x 24 cm, 1999.
Genauso
wie Niccolò Machiavelli war Thomas Hobbes ein Denker der
Krise. Machiavelli
erlebte die staatliche Zersplitterung und die daraus resultierenden
Kriege im frühneuzeitlichen
Italien; Hobbes war tief bewegt von dem teils religiös, teils
machtpolitisch
motivierten Bürgerkrieg, der zu seinen Lebzeiten (im
17.Jahrhundert) in seiner
Heimat England tobte. Eine wesentliche Motivation seines
philosophischen Werkes
war, der Politik eine neuartige Grundlage zu geben, die den inneren
Frieden -
“Frieden” relativ autoritär verstanden im
Sinne von “Ruhe und Ordnung”
- dauerhaft garantieren sollte. Sein Anliegen war, dem vorgefundenen
Chaos eine
von Menschen geschaffene Ordnung abzutrotzen. Da sich die
Bürgerkriege seiner
Heimat zum Teil an religiösen Konflikten zwischen
Katholizismus und
Protestantismus entzündeten, musste er ein Staatskonzept
entwerfen, das eine
rein weltliche Grundlage besaß. Auf diese Art sollte
Legitimität jenseits
konfessioneller Grenzen entstehen. Hobbes wird so zum
endgültigen Überwinder
des “Gottesgnadentums”, der Vorstellung also, dass
politische Herrschaft auf
Einsetzung durch “göttliche Gnade”
beruht.
Um
dieses Ziel einer weltlichen und damit völlig neuartigen
politischen
Legitimation zu erreichen, geht Hobbes zunächst von der Idee
eines
“Naturzustandes” aus, in dem sich die Menschen
einst befunden haben sollen,
bevor es eine staatliche Obrigkeit gab. In diesem Naturzustand, wie ihn
Hobbes
konstruiert, tritt mangels einer die Gesetze durch Strafe
sanktionierende, allen
Einzelnen übergeordneten Macht die Schlechtigkeit des Menschen
ungezügelt
hervor.
Sehen
wir uns in diesem Zusammenhang sein Menschenbild genauer an: Hobbes
geht, wie
bereits angeklungen ist, von einer äußerst negativen
Sichtweise vom Menschen
aus, was ihn wiederum mit Machiavelli verbindet, der durchaus in
vielerlei
Hinsicht als sein Vorläufer begriffen werden kann. Einer der
bekanntesten
Aussprüche des Thomas Hobbes, der dies illustriert, lautet:
“Homo homini
lupus” - “der Mensch ist dem Menschen ein
Wolf”, will heißen: Der Mensch
ist von Natur aus ein Raubtier; er ist grausam, habgierig, egoistisch
etc.; und
er hat normalerweise keine Hemmungen, diese Triebe auf Kosten des
jeweils
anderen zu befriedigen. Nebenbei bemerkt: Hobbes verleumdet mit seinem
Zitat -
zeitgenössischen Vorstellungen entsprechend - wahrscheinlich
mehr den Wolf als
den Menschen; heute wissen wir, dass der Wolf keine wilde Bestie,
sondern ein
ausgesprochen soziales Tier ist. Wie dem auch immer sei: Der
ärgste Feind des
Menschen ist für Hobbes aber auf jeden Fall immer der Mensch
und niemand sonst.
Mit
dieser Sichtweise des Menschen wendet sich Hobbes gegen einen
Klassiker, nämlich
die “Politik” des Aristoteles. Für den
antiken Philosophen ist der Mensch
ein “politisches Tier”, dessen Fähigkeit
zur Staatenbildung eine natürliche
Veranlagung darstellt (wie z.B. bei Biene oder Ameise, die
gemeinschaftlich und
instinktmäßig auch “Staaten”
aufbauen). Nach Hobbes liegt dem Menschen
aber v.a. die Anarchie - und keineswegs der Gemeinschaftssinn - in
seinen
Instinkten. Und Hobbes arbeitet alle destruktiven Neigungen heraus, die
seiner
Ansicht nach (wie in seinen Schriften “Leviathan”
und “Vom Bürger”
formuliert) den Menschen von Tieren wie Bienen oder Ameisen massiv
unterscheiden:
*
Die Menschen liegen (im Gegensatz zu den Tieren) miteinander im
ständigen Wettstreit um Ehre und Würde; auch gibt es
unter ihnen häufiger als
bei Insekten Neid, Hass oder Krieg.
*
Das Gut der Insekten ist gemeinsam; und jeder fördert den
Gemeinbesitz. Der Mensch aber ist habgierig und egoistisch; auch freut
er sich,
wenn andere weniger haben als er.
*
Die Tiere tadeln die Verwaltung und die Obrigkeit nicht; der
einzelne Mensch aber ist dermaßen eitel, dass er
ständig die Regierung und
Verwaltung kritisiert und überhaupt dauernd
herumvernünftelt. Dies ist aber
nach Hobbes’ Ansicht eine Quelle der Unruhe.
*
Die Tiere haben zwar eine Stimme, aber keine ausgefeilte Sprache;
und vor allem keine Redekunst. Diese aber verdreht die Wahrheit
ständig und
stiftet so Unfrieden.
*
Die Tiere sind zufrieden, solange sie genug haben; der Mensch
aber wird unausstehlich, wenn er viel besitzt und sorgt dann
für Zwietracht.
Außerdem
legt jeder Mensch ein beredtes Zeugnis von der
Verworfenheit des jeweils anderen ab, wenn er seine Wohnung
verschließt, sobald
er weggeht oder seine Wertsachen niemals unbeaufsichtigt
lässt. Wären die
Menschen von Natur aus gute und soziale Wesen, wäre dies alles
nicht nötig. Im
Bürgerkrieg, wo alle obrigkeitliche Sanktionsmacht -
ähnlich wie im
“Naturzustand” - praktisch nicht existent ist,
treten entsprechend die größten
Abscheulichkeiten zutage: Da wird gemordet, geplündert,
vergewaltigt etc.
Politik muss nach Hobbes die Schlechtigkeit der Menschen als
ständige Konstante
einkalkulieren. Auf jeden Fall ist aus seiner Perspektive klar, dass
der Staat
keine “natürliche”, sondern eine
“künstliche”, d.h. von Menschen
geschaffene Ordnung sein muss.
Die
Menschen sind einander nach Hobbes im ursprünglichen,
vorstaatlichen “Naturzustand” gleich. Dies
äußert sich seiner Ansicht nach
v.a. in der relativ gleich verteilten Fähigkeit des Menschen,
den jeweils
anderen zu töten. Trotz der Tatsache, dass es
stärkere und schwächere
Menschen gibt, "wird man gewiss selten einen so schwachen Menschen
finden,
der nicht durch List und in Verbindung mit anderen, die mit ihm in
gleicher
Gefahr sind, auch den stärksten töten
könnte". Auch hinsichtlich der
geistigen Begabungen sind die Menschen relativ gleich, sieht man vom
Gebrauch
der Sprache und von der Kenntnis der Wissenschaften ab; hier sind die
Begabungen
freilich ungleich verteilt. Hobbes hält es für
ausgemacht, dass die Fähigkeit
zu letzteren nur auf Übung beruht; die prinzipielle Verteilung
der Verstandeskräfte,
also das potentielle Vermögen dazu, so Hobbes, ist ziemlich
dieselbe.
Aus
der Schlechtigkeit der Menschen und ihrer prinzipiellen Gleichheit -
also v.a.
der gleich verteilten Fähigkeit, einander töten zu
können - folgt, dass im
“Naturzustand”, in dem staatliche Obrigkeit fehlt,
ein “Krieg aller gegen
alle” tobt (lat.: “bellum omnium contra
omnes”).
Wenn staatlicher Zwang den Menschen nicht aufhält, wenn es
keine Gesetze gibt,
die den Menschen einschüchtern, wird den niederen,
destruktiven Trieben des
Menschen freier Lauf gelassen. Nun fallen die Menschen
übereinander her, um
sich gegenseitig auszuplündern, zu unterwerfen, zu
töten etc. Davon kann sie
auch keine vernünftige Überlegung abhalten, denn der
Trieb ist nach Hobbes
wesentlich stärker als die Vernunft. Eine Garantie
für die Ordnung kann es nur
geben, wenn es eine starke Macht gibt, die den Einhalt der Gesetze mit
Gewalt
verteidigen kann, somit Furcht erregt und vom Verbrechen abschreckt.
Dieser
vorstaatliche “Krieg aller gegen alle” ist - als
blanke Anarchie - ein für
alle Beteiligten entsetzlicher Zustand.
Da ein jeder
in diesem Kriegszustand unter ständiger Bedrohung lebt,
können sich die höheren
Kräfte nicht entfalten. Wer sollte z.B. den Acker bestellen,
wenn er ständig
Raub und Plünderung fürchten muss oder um sein Leben
zittert? Aber auch andere
wichtige Güter, die nur im Frieden (d.h. in der Abwesenheit
des Krieges)
gedeihen können, sind nicht vorhanden.
Hobbes
schreibt dazu im dreizehnten Kapitel des
"Leviathan":
"Da
findet sich kein Fleiß, weil kein Vorteil davon zu
erwarten ist; es gibt keinen Ackerbau, keine Schifffahrt, keine
bequemen
Wohnungen, keine Werkzeuge höherer Art, keine
Länderkenntnis, keine
Zeitrechnung, keine Künste, keine gesellschaftlichen
Verbindungen; stattdessen
ein tausendfaches Elend; Furcht, gemordet zu werden,
stündliche Gefahr, ein
einsames, kümmerliches, rohes und kurz dauerndes Leben."
In
diesem Kriegszustand gibt es zudem keinen gesicherten Besitz;
den Besitz behält man nur, solange man ihn sich durch seine
Stärke zu sichern
versteht. Überfälle, Plünderungen, Verlust
des Besitzes und gewaltsamer Tod
stehen im Naturzustand an der Tagesordnung, bis man diesen leidvollen
Zustand
durch den Abschluss des “Gesellschaftsvertrags”
überwindet - dazu gleich
mehr.
Besonders
interessant an der Hobbes’schen Sichtweise ist, dass alle
Menschen von Natur
nicht nur gleich, sondern auch frei geboren sind. Ähnlich wie
die Gleichheit
wird auch die Freiheit ziemlich radikal und anarchisch verstanden.
Hobbes
spricht vom “Naturrecht”, welches im Naturzustand
herrscht. Es ist "die Freiheit, nach welcher ein jeder zur Erhaltung
seiner
selbst seine Kräfte beliebig gebrauchen und folglich alles,
was dazu etwas
beizutragen scheint, tun kann."
Daraus
wird das ursprüngliche Recht aller auf alles abgeleitet,
"da es nichts gibt, was er nicht irgendeinmal zur Verteidigung seines
Lebens gegen einen Feind mit Erfolg gebrauchen könnte,..."
Solange
der Naturzustand gilt, existiert für alle das Naturrecht -
alle haben also das Recht auf alles. Wenn aber alle ein Recht auf alles
haben,
schränken sie sich gegenseitig total ein; der “Krieg
aller gegen alle” ist
die logische Folge des Naturrechts. Um denselben Gedanken noch einmal
anders
auszudrücken: Wenn es keine staatliche Ordnung gibt, ist die
Freiheit eines
jeden unendlich. Wenn aber alle unendlich viel Freiheit besitzen, sinkt
die
Freiheit eines jeden auf Null.
Jeder
muss vernünftigerweise einsehen, dass die Beendigung des
“Krieges aller gegen alle” - also der Friede -
erstrebenswert ist; dies
schon aus Gründen der Selbsterhaltung, die von diesem Krieg
gefährdet ist und
der Furcht, die aus ihm entspringt. Ein jeder wird also
wünschen, dass dieser
Zustand aufhört. Wenn keine Hoffnung darauf besteht, wird er
alles aufbieten,
um sich selbst zu erhalten und zu den "Privilegien" greifen, die ihm
das Naturrecht gestattet; primär wird aber jeder das Ende
dieses Bürgerkriegs
wollen.
Einem
jeden muss aber auch einleuchten, dass der “Krieg aller
gegen alle” nur beendet werden kann, wenn er auf sein
Naturrecht verzichtet
oder es an eine Obrigkeit überträgt - vorausgesetzt,
alle anderen tun es auch.
Wenn er sich weigert, das Recht auf alles aufzugeben, werden die
anderen es auch
nicht aufgeben.
An
dieser Stelle der vernünftigen Einsicht angelangt,
gründen die Menschen des
Naturzustandes einen Staat durch den Abschluss eines
Gesellschaftsvertrages, in
dem sie besagtes Naturrecht an die Obrigkeit übertragen, was
auch im
langfristig gedachten egoistischen Interesse aller liegt.
Hobbes
schreibt über den Gesellschaftsvertrag:
"Um
aber eine allgemeine Macht zu gründen, unter deren Schutz
gegen auswärtige und innere Feinde die Menschen bei dem
ruhigen Genuss ihrer
Ruhe und ihres Fleißes und der Erde ihren Unterhalt finden
können, ist der
einzig mögliche Weg folgender: jeder muss alle seine Macht
oder Kraft einem
oder mehreren Menschen übertragen, wodurch der Willen aller
gleichsam auf einen
Punkt vereinigt wird, so dass dieser eine Mensch oder diese eine
Gesellschaft
eines jeden einzelnen Stellvertreter werde und ein jeder die Handlungen
jener so
betrachte, als habe er sie selbst getan, weil sie sich dem Willen und
Urteil
jener freiwillig unterworfen haben." (Leviathan, Kap.17)
Und
darauf folgt die berühmte Stelle:
"Dies
fasst aber noch etwas mehr in sich als Übereinstimmung
und Eintracht; denn es ist eine wahre Vereinigung in einer Person und
beruht auf
dem Vertrage eines jeden mit einem jeden, wie wenn ein jeder zu einem
jeden
sagte: 'Ich übergebe mein Recht, mich selbst zu
beherrschen, diesem Menschen
oder dieser Gesellschaft unter der Bedingung, dass du ebenfalls dein
Recht über
dich ihm oder ihr abtrittst'."
Durch
die kollektive Übertragung der Macht auf eine Obrigkeit
entsteht eine Gewalt, die stark genug ist, Recht zu garantieren. Der
Friede ist
gesichert, Ruhe und Ordnung werden durch Autorität
gewährleistet.
Der
Gesellschaftsvertrag schafft also den Staat. Hobbes' Definition
des Staates erhellt sich aus dem bisher Gesagten.
"Staat
ist eine Person, deren Handlungen eine große Menge
Menschenkraft der gegenseitigen Verträge eines jeden mit einem
jeden als ihre
eigenen ansehen, auf dass diese nach ihrem Gutdünken die Macht
aller zum
Frieden und zur gemeinschaftlichen Verteidigung anwende."
Diesen
autoritären Machtstaat will Hobbes seltsamerweise im
Leviathan, einem drachenähnlichen Ungeheuer aus der Bibel
(Hiob 40-41)
wiedererkannt haben. Diesen Leviathan personifiziert das
berühmte Titelbild von
Hobbes' gleichnamigem Hauptwerk mit einem gewaltigen,
gekrönten Riesen, der aus
vielen einzelnen Menschen zusammengesetzt ist. Dieser Staat wurde durch
den
Gesellschaftsvertrag geboren; er ist somit eine "künstliche
Macht",
die aus vielen Menschen besteht. Einem Staat kommt
gottähnliche Macht auf Erden
zu; da er aber theoretisch in den Bürgerkrieg (und damit den
Naturzustand) zurückfallen
kann, nennt Hobbes den Leviathan den "sterblichen Gott". Erschaffen
aus dem Gemeinschaftswillen um den Frieden und die Gesetze durch seine
selbstherrliche Macht zu gewährleisten, thront der Leviathan
über den
Sterblichen.
"So
entsteht der große Leviathan, der sterbliche Gott, dem
wir unter dem ewigen Gott allein Frieden und Schutz zu verdanken haben.
Dieses
von allen und jedem übertragene Recht bringt eine so
große Macht hervor, dass
durch sie die Gemüter aller zum Frieden unter sich geneigt
gemacht und zur
Verbindung gegen auswärtige Feinde leicht bewogen werden."
Man
kann, wenn man dieses Ergebnis betrachtet, mit Fug und Recht
behaupten, dass Thomas Hobbes ein ausgesprochen autoritärer
Denker ist. Er
behauptet mit einiger Plausibilität und vielleicht auch
mancher Übertreibung
die Schlechtigkeit der Menschen, die ohne Furcht verbreitende Obrigkeit
in das
entsetzliche Chaos des “Krieges aller gegen alle”
münden muss; um dies
verhindern, wird aus langfristigem Eigeninteresse ein
Gesellschaftsvertrag
abgeschlossen, in dem das anarchische Naturrecht (das darin besteht,
dass man
alles tun darf, was man will) auf eine solche Obrigkeit
übertragen wird. So
wird ein totalitärer Machtstaat gegründet, der nach
Hobbes’ Präferenz von
einem absoluten Monarchen regiert wird. Das totale Chaos der absoluten
Freiheit
wird so überwunden durch die totale Ordnung der absoluten
Staatsmacht - das
eine unerträgliche Extrem wird durch das andere besiegt; und
man fragt sich, ob
nicht ein Mittelweg zwischen beiden möglich sein kann und
muss. Wie dem auch
sei, für Hobbes gibt es angesichts der Schrecken des
Bürgerkriegs in seiner
Heimat nur eine Lösung: ein “starker Mann”
muss her - als Garant der
Ordnung und damit des inneren Friedens. Ein solcher Ruf nach dem
“starken
Mann”, der tiefgreifende Dauerkrisen angeblich zu
lösen imstande ist, erhebt
sich auch im Volk regelmäßig in schweren Zeiten; und
man kann durchaus sagen,
dass aus dieser Sehnsucht Diktaturen entstehen und Freiheiten - auch
solche, die
das Leben aus heutiger Perspektive erst lebenswert machen - dadurch
abgeschafft
werden.
Trotz
dieser Aspekte ist Thomas Hobbes aber der Vater der
Demokratie - angesichts seiner Präferenz für die
absolute Monarchie allerdings
wohl eher wider Willen. Im Laufe der Geistesgeschichte wurde das von
ihm
entworfene Modell des Gesellschaftsvertrages nämlich umgeformt
und dazu
verwendet, um die Demokratie zu legitimieren. Dies war u.a. deshalb
möglich,
weil die Hobbes’sche Lehre - ob ihrem Schöpfer
bewusst oder nicht - im Kern
durchaus als demokratisch bezeichnet werden kann. Oben wurde bereits
festgestellt, dass nach Hobbes die Menschen von Natur aus als frei und
gleich
geboren sind. Obwohl er Freiheit und Gleichheit sehr radikal-anarchisch
und
damit als Problem begreift, ist dies dennoch eine
revolutionäre Erkenntnis, die
auch später von Demokratietheoretikern aufgegriffen wurde.
Außerdem
ist in der Idee des Gesellschaftsvertrags die Annahme
enthalten, dass der Staat ein Produkt von Menschen ist und eben nicht
auf göttlicher
Einsetzung beruht. Diese Annahme hat den Vorteil, dass besagter Staat
wohl auch
den Menschen (nicht ominöse überirdische
Mächte) in den Mittelpunkt seiner
Zielsetzungen stellen wird, das Einverständnis der
Bürger zu seiner Machtausübung
plausibel nachweisen muss, keine kleinen und angeblich “von
Gottes Gnaden”
regierenden Gruppen unkontrollierte Herrschaft ausüben
können und zudem
Religion und Politik voneinander getrennt werden. Gerade letzteres ist
wichtig,
um die politische Macht vor Instrumentalisierung durch
Religionsvertreter zu
bewahren und zudem einen Staat begründen zu können,
der unabhängig von allen
dogmatischen Streitereien und trotz der Vielfalt religiöser
Anschauungen in
einer Gesellschaft konfessionsübergreifend Akzeptanz finden
kann. Und die
Emanzipation der Politik von der Religion ist nicht zuletzt auch
deshalb
unabdingbar, damit rational über politische Angelegenheiten
diskutiert werden
kann, Verbesserungen und Reformen angestellt und kritische Anmerkungen
geäußert
werden dürfen, ohne dass sofort eine
“Verketzerung” erfolgt.
Zudem deutet bereits Hobbes im “Leviathan” an, dass die obrigkeitliche Macht nicht an einen absoluten Monarchen, sondern auch z.B. an ein Parlament übertragen werden könnte. Die Idee, die Macht an mehrere Akteure zu übertragen, die sich im Sinne einer Gewaltenteilung gegenseitig kontrollieren, um so die bürgerliche Freiheit sicherzustellen und dem Machtmissbrauch der Herrschenden vorzubeugen, sollte später im Keim bei Locke und schließlich Montesquieu zum Ausdruck kommen - sie war Hobbes noch ziemlich fremd. Dennoch beginnt die moderne Demokratietheorie mit seinen Werken; und allein dieser Umstand ist es, der ihn zu einem bahnbrechenden, zu einem wahrhaft großen Denker macht.
© dieses Textes: Patrick Horvath, Wien, 2002.
Werner Horvath: "Thomas Hobbes - Leviathan", Öl auf Leinwand, 50 x 40 cm.